Einen geplanten Tag gibt es bei mir nicht. Am Freitag, den 10. Dezember, bin ich zum Beispiel um 6.00 Uhr aufgestanden und als es hell wurde, fuhr ich ins Revier. Es hatte die letzten Tage und auch die Nacht über geschneit.
Machtlos bei Schneefall
Ich wollte zu einer Hütte im Wald, um Feuer für die Waldarbeiter zu machen. Doch ich kam nicht durch, denn eine Baumkrone lag quer über der Straße, die ich erst klein sägen musste. Etwas später traf ich den Räumdienst, der die Straße zum Waldcafé frei räumen wollte. Sie berichteten mir von halb abgebrochenen Bäumen und von der schweren Schneelast schiefen Stämmen in einem Bereich, in dem ich noch nicht gewesen war. Als ich hinfuhr lag zwar noch kein Baum auf der Straße, aber es sah nicht gut aus. Am Abend fing es wieder an zu schneien und wir beschlossen schließlich die Straße zu sperren. Zu groß war die Gefahr, dass ein umfallender Baum ein Auto oder einen Menschen erschlägt. Am Samstag früh fuhr ich wieder hin und es war genau so, wie wir befürchtet hatten, überall lagen Bäume und Baumkronen kreuz und quer auf der Straße. Es schneite immer noch und da auf den Bäumen zu viel Schnee lag konnten wir nichts unternehmen. Die Gefahr, dass auch uns ein Baum erwischt.war einfach zu groß. Laut Vorhersage sollte der Schneefall weniger werden und so war es dann auch am Sonntag. Mit einer Gruppe von Waldarbeitern und einer Rückemaschine, die die Holzstämme zieht, räumten wir die Straße frei. Am Montag war sie wieder sicher und befahrbar.
Planung mit vielen Unbekannten
Ich betreue ein Revier, in dem vor allem Fichten, Kiefern, Douglasien, einige Buchen und Birkenbestände vorkommen. Wir versuchen zwar vermehrt auf Laubmischwald umzustellen, doch das dauert lang und kostet Geld. Anfang des Jahres mache ich meine holzwirtschaftliche Planung. Zwischen 16.000 und 20.000 Festmeter Holz muss ich aus dem Wald holen und verkaufen. Wenn es gut geht, ziehe ich meinen Plan durch. Das bedeutet, ich fälle was ich geplant habe und kann so auf die Struktur des Waldes Einfluss nehmen. Doch eigentlich gab es noch kein Jahr, in dem ich meinen Plan umsetzen konnte. Die Natur hat einfach zu viele Unbekannte. Allein in der vergangenen Woche sind durch den Schneebruch schätzungsweise 5.000 Festmeter Holz angefallen, die ich jetzt in der Planung für die „Holzernte“ im nächsten Jahr berücksichtigen muss.
Die Arbeit im Revier
Holz zu ernten bedeutet, dass ich fast jeden Tag zwei bis drei Stunden durch den Wald gehe und die Bäume mit Farbe markiere, die gefällt werden sollen. Die Auswahl erfolgt unter verschiedenen Gesichtspunkten. Im Rahmen der sogenannten Pflegeeingriffe fälle ich Bäume, die durch Rotwildschäden faul geworden, oder durch Sturm oder Schneeschäden abgebrochen sind. Aber auch waldbauliche, in die Zukunft reichende Überlegungen spielen eine entscheidende Rolle. Das wichtigste Kriterium hierbei ist für mich die Reduktion der Stammzahl auf einer Fläche, damit die kräftigen und gesunden Bäume einen verstärkten Zuwachs bekommen und somit auch an Wert zunehmen. Die markierten Bäume werden entweder von Waldarbeitern mit Motorsägen oder durch Vollerntemaschinen gefällt und die Stämme an die Waldwege transportiert. Dort wird das Holz aufgemessen und es werden Listen erstellt, nach denen der spätere Verkauf abgewickelt und die Waldarbeiter entlohnt werden.
Vollständig abgegrast
Bei uns gibt es sehr viel Rotwild. Ich nenne es „Standortfaktor Nummer Eins“. Rotwild ist groß, kleiner als eine Kuh zwar aber viel größer als ein Reh, und es weidet auch ähnlich einer Kuh. Wir haben so viel Rotwild bei uns, dass jeder Quadratzentimeter Wald vom Äser einmal im Jahr abgegrast wird. Dadurch wird die Biotopvielfalt stark vermindert. Ist der Wildbestand zu hoch, kommt es nicht mehr zum Nachwachsen junger Gehölze oder anderer Pflanzen,die normalerweise in einem Mischwald zu finden sind. Mitten im Wald auf einer Windwurffläche, also dort, wo vor ein paar Jahren ein Sturm den gesamten Fichtenbestand auf gut drei Hektar umwarf, habe ich einhundert Quadratmeter Weiserfläche einzäunen lassen. Weiserflächen dienen zur Beurteilung des Wildverbisses und der potentiellen Verjüngungsfreudigkeit einer Waldfläche ohne den Einfluss des Wildes.
Die Natur vor sich selbst schützen
Auf dieser Fläche wächst alles, was wir seit Jahren nicht mehr gesehen haben: Himbeeren, Waldweidenröschen, Vogelkirsche, Birke und vieles mehr. Hier zeigt sich das sogenannte Standortpotential. Rund um das Gatter ist es im Vergleich zu der eingezäunten Vielfalt merkwürdig kahl. Als Förster sehe ich diese Entwicklung mit Besorgnis. Wir brauchen unsere Wälder aus vielerlei Gründen und müssen sie schützen.Vor der Bedrohung durch den Menschen aber auch vor der Bedrohung durch unnatürlich hohe Wildbestände. Alle Bäume bei mir im Wald sind durch Wild geschädigt und mindestens von einer Seite geschält. Selbst wenn wir jetzt das Großwild auf ein für den Wald ertragbares Maß reduzieren würden, blieben die Schäden die nächsten 100 Jahre sichtbar.