Die UNFCCC-Generalsekretärin Patricia Espinosa und ein internationales Team von Wissenschaftlern, darunter Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, haben heute die zehn wichtigsten Erkenntnisse der Klimawissenschaft 2020 vorgestellt. Auf der Grundlage einer wachsenden Zahl von wissenschaftlichen Forschungsergebnissen haben das FutureEarth-Netzwerk, die Earth League und das World Climate Research Programme (WCRP) gemeinsam die neueste Ausgabe der seit 2017 jährlich erscheinenden „Must-Knows“-Liste zusammengestellt.
So können wir der Natur helfen
„Die Top 10-Reihe ist ein entscheidender Bestandteil unserer Mission, Entscheidungsträgern die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse in einem einfach zugänglichen Format zu vermitteln, um so den Übergang zur Nachhaltigkeit voranzutreiben“, sagt Wendy Broadgate, Global Hub Director von Future Earth. „Eskalierende Waldbrände, sich weiter verstärkende Stürme und sogar die anhaltende Pandemie sind alles Signale dafür, dass sich unsere Beziehung zur Natur deutlich verschlechtert – mit fatalen Folgen.“
„Die gesamte Welt ist von der Klimakrise betroffen, und jeder Kontinent, jedes Land, jede Stadt und jedes Dorf ist davon abhängig, wie verantwortungsvoll wir mit den natürlichen Kohlenstoffsenken der Erde umgehen – das zeigt ein überwältigender Anteil der wissenschaftlichen Forschung“, sagt Johan Rockström, der auch jeweils Co-Vorsitzender der Earth League und des Beratungsausschusses von Future Earth ist. „Da wir uns alle denselben kleinen Planeten teilen und es planetare Grenzen gibt, können wir uns nicht darauf verlassen, dass die Natur uns hilft, wenn wir nicht der Natur helfen. Hierbei reicht ein Blick auf die stark strapazierten tropischen Wälder, die in der Vergangenheit praktischerweise riesige Mengen an CO2 aufgenommen haben – aber genau dieser Effekt könnte jetzt seinen Höhepunkt erreicht haben und beginnen nachzulassen. Aus all diesen wissenschaftlichen Erkenntnissen sollte sich eine politische Einsicht herausbilden: Wenn wir eine Chance haben wollen, unser Klima zu stabilisieren – für unsere eigene Sicherheit – dann haben wir jetzt die letzte Chance, die Treibhausgase zu reduzieren."
Die 10 neuen Erkenntnisse in diesem Jahr:
1) Ein besseres Verständnis der Empfindlichkeit der Erde gegenüber CO2 stärkt die Bereitschaft für ehrgeizige Emissionssenkungen zur Erfüllung des Pariser Abkommens
Es herrscht nun ein besseres Verständnis über die Empfindlichkeit des Klimas gegenüber CO2 – wie stark die Temperatur bei einem bestimmten Anstieg der Emissionen ansteigt. Dieses neue Wissen deutet darauf hin, dass moderate Emissionssenkungen mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit zum Erreichen der Pariser Klimaziele führen, als bisher angenommen wurde.
2) Emissionen aus dem auftauenden Permafrost sind wahrscheinlich schlimmer als erwartet
Aufgrund von abrupten Auftauvorgängen, die in den aktuellen globalen Klimamodellen noch nicht berücksichtigt wurden, werden die Emissionen von Treibhausgasen aus dem Permafrost größer sein als bisher angenommen.
3) Tropische Wälder haben möglicherweise den Höhepunkt ihrer CO2-Aufnahme erreicht
Aufgrund eines CO2-Düngeeffekts auf Pflanzen nehmen Landökosysteme derzeit 30 Prozent der menschlichen CO2-Emissionen auf. Die Abholzung der weltweiten Tropenwälder führt dazu, dass diese sich als Kohlenstoffsenke abschwächen.
4) Der Klimawandel wird die Wasserkrise deutlich verschärfen
Neue empirische Studien zeigen, dass der Klimawandel schon jetzt extreme Niederschlagsereignisse (Überschwemmungen und Dürren) verursacht, die wiederum zu Wasserkrisen führen. Die Auswirkungen unterscheiden sich jedoch stark aufgrund von geschlechterspezifischen, sozioökonomischen sowie sozialpolitischen Ungleichheiten, welche durch Wasserkrisen noch zusätzlich verschärft werden.
5) Der Klimawandel hat einen Effekt auf unsere psychische Gesundheit Verstärkte, sich häufende und Umweltrisiken tragen zu Unruhe und Stress bei. Die Förderung und Erhaltung von urbanen Blau- und Grünflächen im Rahmen der Stadtplanung sowie der Schutz von Ökosystemen und der Biodiversität haben einen positiven Nebeneffekt für Gesundheit und Resilienz.
6) Regierungen nutzen bisher nicht die Chance für einen nachhaltigen Wiederaufbau der Wirtschaft nach COVID-19
Regierungen auf der ganzen Welt mobilisieren mehr als 12 Billionen US-Dollar für das Überwinden der COVID-19-Pandemie. Zum Vergleich: Der jährliche Investitionsbedarf für einen Paris-kompatiblen Emissionspfad wird auf 1,4 Billionen US-Dollar geschätzt.
7) COVID-19 und der Klimawandel zeigen die Notwendigkeit eines neuen Gesellschaftsvertrags
Die Pandemie hat die Unzulänglichkeiten sowohl der Regierungen als auch der internationalen Institutionen im Umgang mit grenzüberschreitenden Risiken aufgezeigt.
8) Wirtschaftliche Anreize, die primär auf Wachstum ausgerichtet sind, würden das Pariser Abkommen gefährden
Eine COVID-19-Konjunkturstrategie, die in erster Linie auf Wachstum und erst in zweiter Linie auf Nachhaltigkeit ausgerichtet ist, wird die Ziele des Pariser Abkommen wahrscheinlich nicht erreichen können.
9) Stromversorgung in Städten ist zentral für einen gerechte Übergang zur Nachhaltigkeit
Städtische Stromversorgung kann als nachhaltiger Weg zur Minderung von Armut gesehen werden – um über eine Milliarde Menschen mit modernen Energieformen zu versorgen, aber auch um bestehende Formen der Energiegewinnung, die den Klimawandel und die lokale Verschmutzung vorantreiben, durch saubere Energie zu ersetzen.
10) Vor Gericht zu ziehen, um Menschenrechte zu verteidigen, kann eine wesentliche Klimaschutzmaßnahme sein
Im Rahmen von klimarelevanten Gerichtsprozessen wird die Definition von sog. „Rechtsträgern“ auf zukünftige, ungeborene Generationen und Naturelemente erweitert und geklärt, wer sie juristisch vertreten kann.
Hier werden die einzelnen Punkte nochmal genauer erläutert: 10 New Insights in Climate Science 2020
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