Jahrmillionen Zeit zur Entwicklung
Obwohl sich die gepanzerten Urzeitreptilien im Laufe der Evolution kaum verändert haben, gelten sie als wahre Meister der Anpassung. Bis heute jagen sie in den tropischen und subtropischen Feuchtgebieten Amerikas, Asiens, Afrikas und Australiens. In Europa dagegen sind die faszinierenden Tiere bereits vor Jahrmillionen ausgestorben.
Verändert haben sie sich bis heute nur wenig. In ihrem Maul befinden sich 60 bis 70 scharfe, kegelförmige Zähne, die immer wieder ausfallen und ein Leben lang durch neue ersetzt werden. Bei einer Lebenserwartung von – je nach Art – 80 – 100 Jahren ist das auch notwendig.
Krokodile können Menschen retten
Krokodile sind im Umgang miteinander nicht zimperlich. Nicht selten werden bei Kämpfen ganze Gliedmaßen abgerissen. Seltsamerweise scheint dies den riesigen Reptilien wenig zu schaden. Es gibt keine Wundentzündungen, selbst bei großen, offen klaffenden Wunden. Vor zehn Jahren fand man schließlich die Ursache dafür. Wissenschaftler erforschten das Blut des größten lebenden Reptils, des Leistenkrokodils, und fanden eine hochwirksame antibakterielle Substanz, die verschiedenste Bakterien aus zahlreichen Stämmen verlässlich abtötet. Damit war das Rätsel um die Krokodils-Wunden gelöst. Die Substanzen aus dem Krokodil-Blut wirkten auf menschliche Zellen nicht schädlich. Damit war ein neues Antbiotika gefunden, was Crocodillin getauft wurde. Es verhindert Entzündungen und löst andere Antibiotika ab, gegen die einige Bakterienstämme resistent sind.
Ein Eiweiß gegen AIDS
Die Forscher vermengten nun das Blutserum von Alligatoren mit Bakterienkulturen. Bereits 12 Stunden später stellten die meisten Keime ihre Vermehrung ein. Die Eiweiße der Krokodile, von den Forschern Alligacine genannt, können sich offenbar auch gegen Aidsviren durchsetzen. Forscher hoffen jetzt neue Antibiotika und Medikamente gegen Aids aus dem Blutserum von Alligatoren entwickeln zu können. Biochemiker von der McNeese University in Louisiana stellten fest: Alligatorblut kann viele Bakterien und Viren vernichten.
Biologische Waffe
Dass gerade das Immunsystem der Krokodile ein so breites Arsenal biologischer Waffen bereithält, ist nach Ansicht der Wissenschaftler eine Folge der Evolution. Krokodile mussten sich schon immer an extreme Lebensbedingungen anpassen. Die Sümpfe und Flüsse, in denen sie leben, sind mehrheitlich voller Bakterien und Viren. Zudem ziehen sie sich bei Raufereien ständig Wunden zu, über die Krankheitserreger in ihren Körper eindringen.
Nur dank ihres schlagkräftigen Immunsystems können sich die Krokodile gegen diese Keime wehren. Besonders erstaunlich ist, dass die Tiere sogar Abwehrstoffe gegen Krankheitserreger entwickelt haben, mit denen sie sehr wahrscheinlich nie Kontakt hatten.
Uraltes Naturerbe
„Normalerweise finden wir Stoffe mit einer solchen Wirkung nur in Pflanzen oder Mikroorganismen“, sagt der Chemiker Markus Kalesse vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Diese Organismen produzieren vielfältige biologisch wirksame Substanzen, weil sie sich nur mit diesen Mitteln gegen Feinde wehren können. Weglaufen oder kämpfen kommt für sie – anders als für viele Tiere – nicht infrage. Dieses Beispiel zeigt einmal mehr, welch unbekanntes Potenzial an Heilmitteln im Tier- und Pflanzenreich vorhanden ist. Wenn selbst Alligatoren so große Hoffnungen auf wirksame Mittel wecken, obwohl diese doch der Forschung seit Jahrhunderten bekannt sind, wie viel mehr wirksame Substanzen könnten im Amazonas Regenwald verborgen sein.
Im Regenwald steckt Wissen
Der Forschung ist die Flora und Fauna des Regenwalds großenteils noch völlig unbekannt. Selbst über die Tiere und Pflanzen, denen man einen Namen gegeben hat und die beschrieben sind, weiß man mitunter so gut wie nichts. Die Zerstörung des Regenwalds vernichtet auch für immer große medizinische Möglichkeiten für die Menschheit, liegen hier wahrscheinlich die Schlüssel für zukünftige Medikamente und technische Lösungen.
Von der Natur lernen
Die Biologen öffnen ihren Blick gerade für die Konstruktionen, mit denen sich Tiere und Pflanzen ihrer Umwelt optimal anpassen. Die sogenannte Bionik schaut der Natur die Lösungen ab. Technische Umsetzungen begleiten uns bereits im Alltag: selbstreinigende Oberflächen, Klettverschlüsse oder ultraleichte Brücken. Die unwiederbringliche Zerstörung von Naturschätzen kann sich die Menschheit nicht leisten. Wir brauchen die Intelligenz der Natur und diese entwickelt ihr volle Wirkung in der Wildnis, wenn sie in Ruhe gelassen wird und ausreichend Zeit bekommt, natürliche Lösungen für unnatürliche (menschliche) Probleme zu finden. Um nach Aldo Leopold zu zitieren: „Wildnis ist eine Absage an die Arroganz des Menschen“.