Zum Hintergrund: Das 1901 gegründete US-Unternehmen Monsanto vertreibt seit 1974 unter dem Markennamen Roundup Glyphosat als Herbizid. Das Mittel wird weltweit von vielen Wissenschaftlern als schädlich für Umwelt und Gesundheit eingestuft, außerdem gibt es aktuell fast 9.000 Klagen gegen den Konzern. Immer noch berufen sich die höchsten Vertreter der Bayer-Führung auf die vor der Übernahme durchgeführte Überprüfung der Rechts- und Reputationsrisiken. Auch Studien, die mehrfach belegen, dass Glyphosat nicht umweltschädlich ist, werden als Hauptargument genutzt. Doch damit kam der Ärger.
Der sinkende Aktienkurs hat gute Gründe
Seit dem Kauf im Sommer 2018 hat der Konzern mehr als 30 Milliarden Euro an Wert verloren. Mit einem Kaufpreis von 63 Milliarden Euro hatte Bayer Monsanto gekauft, die bisher teuerste Übernahme in der Geschichte der deutschen Wirtschaft. Der hohe Verlust ist vor allem auf eine erfolgreiche erste Klage gegen Monsanto in den USA zurückzuführen, bei welcher der an Krebs erkrankte Hausmeister Dewayne Johnson Schadensersatz forderte. Der Konzern wurde auch in zweiter Instanz schuldig gesprochen und letztendlich zu einer Summe von knapp 80 Millionen Dollar verurteilt.
Weltweit verunsicherte dies die Investoren merklich. Der Aktienkurs sank bereits deutlich nach dem Urteil und hatte kurz vorm Jahreswechsel sein bisherigen Tiefpunkt von 59,00 € pro Aktie erreicht - zum Vergleich: vor dem Urteilsspruch zu Monsanto im August 2019 lag der Kurs von Bayer noch bei knapp 96,00 € pro Aktie. Das Unternehmen erklärt jedoch weiterhin, dass mehr als 800 Studien zu dem Ergebnis gelangten, dass „die Produkte bei sachgerechter Anwendung sicher sind“ und versucht, seine Investoren damit zu beruhigen. Aber selbst diese sind sich im Klaren darüber, dass erfolgversprechende Strategien und Kennzahlen keine Garantie darstellen. Man hat sich bei den Einschätzungen der juristischen Risiken offensichtlich zu sehr auf die Aussagen des verkaufswilligen Monsanto-Managements verlassen. Zudem sind in den von Monsanto genannten 800 Studien nicht die zahlreichen Studien von meist unabhängigen Instituten und Universitäten enthalten, welche die schädliche Wirkung von Glyphosat nachweisen.
Zurückhaltender Umgang mit den aktuellen Problemen stößt auf Kritik
Kristina Rüter, Methodikchefin der Ratingagentur ISS-oekom, die Unternehmen auf ihre Nachhaltigkeit hin prüft, kritisiert nicht nur den Umgang des Managements mit den Produkten. Auch jener hinsichtlich der Klagen, speziell zu dem Glyphosat-verwendenden Produkt Roundup, ist nicht genug: „Bayer tut wenig, was über das Abstreiten von Gesundheitsrisiken hinausgeht.“ Andere Experten sind der Auffassung, dass die Aktionäre schlichtweg nicht gefragt wurden - sie seien mit Pharma ins Bett gegangen und mit Agrochemie aufgewacht. Doch Bayer sieht es nicht ein, sich bei unternehmerischen Entscheidungen von kritischen Meinungen der Bevölkerung beeinflussen zu lassen. Bei der vorliegenden Thematik sei dies bedenklich, so Rüter, wenn Bayer ein Unternehmen mit solch einem negativen Image aufkauft.
Alte Strategie, neues Ergebnis?
Für Werner Wenning, von 2002 bis 2010 Vorstandsvorsitzender und seit 2012 im Aufsichtsrat tätig, ist die aktuelle Lage eher wie ein Déjá-vu. Nach der Lipobay-Krise in 2001 musste der Konzern das Cholesterin-senkende Mittel vom Markt nehmen und sich gegen tausende Klagen wehren. Auch in diesem Fall sank der Aktienkurs von Bayer auf rund zehn Euro. Dass die Übernahme von Monsanto an Größenwahn grenzen soll, kann er nicht nachvollziehen. Man habe „das beste Agrarunternehmen gekauft, um das führende Unternehmen in diesem Wachstumsmarkt zu werden“, so Wenning. Er vergisst hier allerdings das Image-Problem: Glyphosat steht im Verdacht, Krebs zu erzeugen, zusätzlich macht es die Bauern abhängig, da sie jedes Jahr eine neue Lizenz für das Glyphosat-resistente Saatgut zahlen müssen.
Die Unternehmens-Strategie zur momentanen Lage: Bis Ende 2021 weltweit 12.000 Arbeitsplätze abbauen, Kosten senken, Profitabilität steigern, Klagekosten gering halten, durchhalten. Ob das aufgeht, ist fraglich. Immer mehr Menschen erkennen die Nachteile des Herbizids, eine europäische Bürgerinitiative mit über 1,3 Millionen Unterschriften wollte 2017 die EU-Zulassung des Mittels stoppen. Gereicht hat das nicht, noch ist Glyphosat bis Ende 2022 gültig – das Bundesumweltministerium hat für Deutschland jedoch Ende des Jahres einen Plan für einen schrittweisen Ausstieg hin zu einem nachhaltigerem Umgang mit Pflanzenschutzmitteln vorgelegt.