Was die beiden Vögel und einige ihrer Artgenossen dort sahen, waren eine Menschenfrau und ihr Kind, Lina neun Jahre alt. Die beiden kamen gerade mit dem Auto vom Einkaufen zurück.
Das Mädchen schaute verträumt nach oben und sagte: „Das habe ich mir gewünscht, Schnee am Heiligen Abend. Morgen fahren wir Schlitten.“ Sie hopste ein wenig umher, zeichnete mit den Fingern Figuren in den Schnee, der auf der Gartenmauer lag und sah die Vögel in und unter der blätterlosen Hecke sitzen. „Die armen Vögel“, fuhr sie fort, „die haben doch bestimmt Hunger. Mama können wir nicht….“ Die Mutter unterbrach sie genervt: „Kind lass die Vögel machen was sie wollen. Hilf mir lieber das ganze Zeug hier ins Haus zu tragen. In einer Stunde kommen deine Großeltern schon, die Gans muss in den Ofen, der Tisch muss gedeckt werden und, und, und .“
Lina wusste sofort, wenn die Mutter so reagierte, durfte man sie nicht noch mehr reizen. Wortlos nahm sie einen der Körbe und trug ihn in die Küche. Dort teilte die Mutter die Arbeit ein. „Lina du räumst dein Zimmer auf, wenn Oma kommt, kann sie den Tisch decken und das Dessert vorbereiten. Hoffentlich kommt dein Vater bald mit dem Christbaum herbei.“ „Darf ich ihm beim Schmücken helfen?“ fragte Lina. „Nein“, entschied die Mutter und zerrte die Gans aus ihrer Verpackung. Verdrossen ging Lina in ihr Zimmer, kramte ein bisschen herum und sah zwischendurch immer wieder aus dem Fenster.
Es schneite und schneite und die armen Vögel saßen immer noch frierend in den Büschen. Es klopfte an ihrer Zimmertür, der Großvater kam herein und schimpfte: „Die machen eine Hektik, deine Mutter weiß nicht was sie zuerst und zuletzt machen soll, dein Vater kämpft mit der Lichterkette und dem Christbaum, beinahe wäre er vom Stuhl gefallen, fernsehen geht nicht, weil das Gerät im „Weihnachtszimmer“ steht und deine Oma ist am Verzweifeln, sie hat die Bourbonvanille für das Dessert vergessen. Als ob dieses Weihnachtsmenü so wichtig wäre, wir sind doch alle dick genug.“
Opa holte tief Luft, Lina sagte: „Und die armen Vögel da draußen hungern. Erst vorige Woche haben wir in der Schule darüber gesprochen, dass man bei so einem Wetter die Vögel füttern soll. Eine Meise hat eine Körpertemperatur von 40 Grad, um die aufrecht zu erhalten, braucht sie so viel Energie, dass sie in einer kalten Nacht zehn Prozent ihres Körpergewichtes verliert.“ „Oh, da hast du aber gut aufgepasst“, staunte der Opa, „ich habe eine Idee, komm mit, hier stehen wir doch nur im Weg herum.“
Die beiden gingen in den Keller und Opa holte Birkenholz, das als Brennholz für den Kamin gedacht war, herbei. „Was willst du damit?“ fragte Lina. „Wir bauen ein Futterhäuschen“, antwortete der Opa und griff nach Zollstock und Säge. „Oh ja, das machen wir, das ist doch eine schöne Überraschung für die Vögel“, freute sie sich und fuhr dann nachdenklich fort, „aber ich habe gelernt, dass man ein Futtersilo aufhängen soll, oder einen Meisenring. Die Vögel sollen nicht in ihrem Futter herumlaufen können, weil sie es dann verschmutzen und Keime übertragen werden können.“ „Das stimmt Fräulein Oberschlau“, erwiderte der Opa, „aber wenn du das Futterhäuschen täglich sauber machst und frisches Futter hinein tust, geht das auch.“
Nach einer Stunde war das Futterhäuschen fertig. Als es die beiden im Garten aufstellten, war es schon dunkel und von den Vögeln nichts mehr zu sehen. „Was legen wir den nun darein, wir haben doch gar kein Vogelfutter“, überlegte Lina. Opa wusste Rat. „Ihr habt doch sicher Haferflocken und Sonnenblumenkerne für das Müsli, das kann man ihnen auch geben“, sagte er. „Das haben wir, so etwas muss ich jeden Morgen essen, ich hole gleich was“; antwortete sie und rannte los. „Lass dich nicht erwischen“, rief der Opa verschwörerisch hinter ihr her und, „bring auch gleich einen Apfel mit, für die Amseln.“
Nach einer Weile kam Lina zurück und hatte außerdem noch etwas Reis mitgebracht. „Der ist vom Mittagessen übrig geblieben“, erklärte sie. Opa schüttelte den Kopf: „Keine gesalzenen Speisen, das vertragen die Vögel nicht“, sagte er und verteilte Sonnenblumenkerne und Haferflocken im Futterhäuschen. Dann sprach er weiter: „Nach den Feiertagen gehen wir in die Stadt und kaufen richtiges Vogelfutter und wenn du willst auch ein Futtersilo.“
Das Küchenfenster wurde geöffnet und die Mutter rief: „Lina, Opa, was macht ihr denn im Garten? Kommt rein, der Weihnachtsmann war da.“
Als am Weihnachtsmorgen die Sonne am klaren wolkenlosen Himmel aufging und die Vögel aus ihren Nachquartieren heraus kamen, staunten Hupsi, Babsi und die anderen nicht schlecht. Sie begannen sofort mit einem ausgiebigen Frühstück.
Helfen auch Sie der Natur, sich selbst zu helfen. Schützen Sie Land für den Kiebitz