Plätschernd fallen die Tropfen auf die Erde
Unter der Oberfläche schlummere ich noch. Ganz klein, glatt und rund. Kaum zu glauben, dass ich vor ein paar Tagen noch dachte, ich würde sterben. Erst von meinem Zuhause weg gerissen und dann dieser gruselige Mensch, der mich mit seinen Zähnen bearbeitete. Jetzt bin ich müde. Was für eine Aufregung das doch war.
Zeit aufzuwachen. Hier unten wird es mir zu eng. Mit aller Kraft strecke ich mich. Nach Monaten von Anstrengung kitzelt mich dann endlich das Sonnenlicht. „Autsch, das ist aber heiß!“ Lieber nach dem Schatten richten. „Aber schön, wieder an der frischen Luft zu sein.“ Noch bieten die Farne und Sträucher genug Schutz am Boden. Ich schaue mich um. „Das ist dann wohl mein neues Zuhause.“
Viel Gesellschaft habe ich hier. Ein Tamarindenbaum steht nur wenige Meter entfernt. Unter mir wachsen etliche Farne, Kräuter und Büsche. Der Mensch, der mich vor neun Jahren fast aufgegessen und dann hier eingepflanzt hat, bringt ständig neue Pflanzen dazu. Es tut gut, in Gesellschaft zu sein. Es raschelt im Tamarindenbaum. „Da ist ja wieder unser Freund“, denke ich. Ein langer schwarz-weiß geringelter Schwanz hängt von den Ästen des Nachbarbaums herab und man hört genüssliches Knistern und Schmatzen. Wie sich das wohl anfühlt, wenn die Tiere bald von meinen Früchten naschen?
Was für ein komisches Jahr. Ich fühle mich ganz unruhig. Mittlerweile bin ich schon wirklich groß geworden – fast so groß wie der große Tamarindenbaum. Dann im September passiert es. Es beginnt zu sprießen. Lange Blütenstängel wachsen aus meinen Ästen. Meine grünen Blätter sind geziert von unendlich vielen weißen Blumen. Ich fühle mich sehr hübsch. Jetzt bin auch ich interessant für die vielen Insekten, die zu dieser Jahreszeit immer hier bei uns herumschwirren. Vor allem den Bienen scheint mein Blütensaft sehr zu schmecken.
In Madagaskars Dezember ist es so weit. Aus meinen Knospen werden Früchte. Mein Blätterkleid ist mit vielen roten kleinen Punkten getupft. „Darauf hab ich schon so lange gewartet!“ Ich bin so stolz auf mein Obst mit der rauen roten Schale. Was mich noch mehr freut: Der kleine Lemur, der sonst nur ab und zu auf mir herumgetollt ist, scheint gar nicht mehr genug von mir zu kriegen. Er kommt täglich und futtert so viele Früchte wie er nur kann. Wie sehr das kitzelt, wenn er an mir herumknabbert, kann ich gar nicht beschreiben.
Eines Tages kommt auch der Mensch wieder zu mir. Als er mich sieht, freut er sich: „Genau rechtzeitig!“ Er kommt auf mich zu und pflückt vorsichtig eine der Früchte. Mit einem Knacken öffnet er die Schale und verspeist die kleine weiße Frucht. „Mmh, die leckerste Litschi, die ich je gegessen habe!“ „Das erinnert mich an etwas“, denke ich. Ich komme nur nicht darauf, woran.
Am nächsten Morgen steht dann auf einmal die ganze Familie des Mannes hier. Ich habe das schon beobachtet. Sie kommen gemeinsam und sammeln die reifen Früchte. Dabei sind die Kinder immer sehr süß – sie naschen ohne Ende und freuen sich darauf, was sie alles Leckeres damit machen können. Ich war immer neidisch auf die Pflanzen, die den Menschen so wichtig waren.
Doch dieses Mal kommen sie zu mir. In ihre Körbe pflücken sie so viele meiner Früchte, wie sie erreichen können. „So, das ist genug für heute Abend“, sagt irgendwann die Frau. Das kleine Mädchen schmollt erst: „Man kann doch an Weihnachten nie genug Litschis haben.“ Der Vater lächelt: „Morgen kannst du ja noch mehr holen. Für das heutige Fest haben wir mehr als genug.“ Ich bin stolz – nicht nur, dass allen meine Früchte schmecken, sie versüßen ihnen sogar das Weihnachtsfest. Als sie gehen, dreht sich das Mädchen nochmal um und schaut mich an. „Frohe Weihnachten!“, denke ich überglücklich.
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Wir wünschen Ihnen ein frohes Weihnachtsfest!