Etwa ein Zehntel der globalen Treibhausgasemissionen aus der Landwirtschaft könnte bis zur Mitte des Jahrhunderts allein auf die Verschwendung von Nahrungsmitteln zurückgehen, wie eine neue Studie zeigt. Wissenschaftler des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung haben erstmals für Länder rund um den Erdball umfassend untersucht, mit welchen Nahrungsmittelverlusten zu rechnen ist, und welche Emissionen damit verbunden sind. Derzeit findet ein Drittel der globalen Nahrungsmittelproduktion nicht den Weg auf unsere Teller. Dieser Anteil wird noch drastisch ansteigen, wenn Schwellenländer wie China oder Indien den westlichen Ernährungsstil übernähmen, so zeigt die Analyse. Dass ein umsichtigerer Umgang mit Lebensmitteln zur Ernährungssicherheit beitragen kann, ist bekannt. Gleichzeitig könnte das jedoch auch helfen, gefährlichen Klimawandel zu vermeiden.
„Die Lebensmittelverschwendung zu verringern ist ein Beitrag zur Bekämpfung von Hunger, gleichzeitig vermindert dies durch die Minderung von Treibhausgasen aber auch Klimafolgen wie stärkere Wetterextreme oder Meeresspiegelanstieg“, sagt die Leitautorin der Studie, Ceren Hic. Global ist das Nahrungsmittelangebot ausreichend, um den durchschnittlichen Bedarf zu decken, dennoch haben einige Entwicklungsländer weiterhin mit Unterernährung und Hunger zu kämpfen. Das Problem ist die ungleiche Verteilung - und die Verschwendung. „Gleichzeitig ist die Landwirtschaft einer der größten Treiber des Klimawandels, mit einem Anteil von circa 20 Prozent der gesamten Emissionen im Jahr 2010,“ erklärt Ko-Autor Prajal Pradhan. Für die Studie haben die Forscher den Nahrungsmittelbedarf auf der Basis physiologischer Voraussetzungen und Aktivität für vergangene und verschiedene künftige Szenarien analysiert, dabei sowohl die demografische Entwicklung als auch die Nahrungsmittelnachfrage und –verfügbarkeit und daraus folgend die damit verbundenen Emissionen berechnet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Lebensmittelverfügbarkeit in den letzten fünf Dekaden bereits stark angestiegen ist, obwohl der Nahrungsmittelbedarf pro Person im globalen Mittel fast konstant bleibt. „Vor allem zeigt unsere Arbeit, dass sich das Verhältnis zwischen Nahrungsmittelverfügbarkeit und -bedarf mit der Entwicklung verändert. Das drückt sich unter anderem dadurch aus, dass reichere Länder mehr Nahrung konsumieren als gesund ist, oder eben Lebensmittel verschwenden,“ erklärt Pradhan. So könnten die mit Lebensmittelverlusten verbundenen Emissionen enorm ansteigen von heute 0,5 auf 1,9-2,5 Gigatonnen CO2-Äquivalente bis Mitte des Jahrhunderts.
Emissionen aus der Landwirtschaft werden immer relevanter
Durch starkes demografisches Wachstum – vor allem in Entwicklungsländern – und Veränderungen der Lebensstile werden allein die landwirtschaftlichen Emissionen bis 2050 wohl auf bis zu 18 Gigatonnen CO2-Äquivalente ansteigen – das zeigen bereits vorangehende Arbeiten der Forscher. „Die Emissionen, die auf verschwendete Nahrungsmittel zurückgehen, sind daher nur die Spitze des Eisbergs,“ sagt Pradhan. „Dennoch ist es erstaunlich, dass bis zu 14 Prozent der Emissionen aus der Landwirtschaft relativ einfach vermieden werden könnten, zum Beispiel durch eine bessere Nutzung und Verteilung von Nahrungsmitteln. Individuelle Verhaltensänderungen sind deshalb auch ein Weg, um die Klimakrise zu mindern.“ „1,3 Milliarden Tonnen Lebensmittel werden derzeit verschwendet,“ sagt Jürgen Kropp, Ko-Autor und stellvertretender Leiter des PIK-Forschungsbereichs Klimawirkung und Vulnerabilität. Während Lebensmittelverluste überwiegend auf weniger effiziente landwirtschaftliche Infrastrukturen in Entwicklungsländern zurückgehen, ist die Lebensmittelverschwendung dagegen eher ein Thema in reichen Ländern. „Für Schwellenländer wie China und Indien ist ein Anstieg der Lebensmittelverschwendung zu erwarten – als Konsequenz aus weitreichenden Lebensstiländerungen, wachsendem Wohlstand und einem Ernährungswandel hin zu mehr Produkten aus Tierhaltung. Dies könnte gleichzeitig jedoch Bemühungen zum Klimaschutz unterminieren.“ Wie kann die Nahrungsmittelversorgung klüger und effizienter gestaltet werden, und wie können Konsumenten überzeugt werden, umsichtiger mit Lebensmitteln umzugehen? Fragen wie diese bleiben zwar offen, die Studie zeigt jedoch das komplexe Zusammenspiel von Nahrungsmittelsicherheit und Klimawandel auf, dass in einer Zukunft mit 10 Milliarden zu ernährenden Menschen immer relevanter werden wird. „Die Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten könnte deshalb ein Hebel sein, der gleich mehrfach greift: für die Minderung der landwirtschaftlichen Folgen für Klima und Umwelt, für die Schonung von Ressourcen in der landwirtschaftlichen Produktion, und zur Verbesserung lokaler, regionaler und globaler Lebensmittelsicherheit,“ so Kropp. Artikel: Hic, C., Pradhan, P., Rybski, D., Kropp, J.P. (2016): Food Surplus and Its Climate Burden. Environ. Sci. Technol. [DOI: 10.1021/acs.est.5b05088] Hier geht's zum ArtikelWeiter zum Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung Link zur einer vorangegangenen Studie zum Thema: Embodied greenhouse gas emissions in diets