Die Landwirtschaft stellt in Deutschland einen Milliardenmarkt dar, an dem insbesondere die Industrie verdient: Die Chemie durch den Verkauf von Medikamenten und Pestiziden, der Agrarhandel durch den Verkauf von Dünger und Futtermischungen, die Agrofinanzwirtschaft durch die Vergabe von Krediten beispielsweise für Maschinen oder Ställe, die Fleischindustrie durch das Schlachten und Zerlegen der Tiere und zu guter Letzt der Handel durch den Verkauf der Lebensmittel. Im Nachfolgenden werden die Verflechtungen dieser Industrien mit der Politik aufgezeigt. Als Quelle dient die Studie "Verflechtungen und Interessen des Deutschen Bauernverbands (DBV)" des NABU und Institut für Wirtschaft und Arbeit aus dem Jahr 2019.
Die Verteilung der Gelder der GAP wird durch den Agrarausschuss der Europäischen Union entschieden. Mehr als 40 Prozent der Mitglieder des Bundestags (MdB) haben einen landwirtschaftlichen Bezug, ein großer Teil vertritt außerdem hohe Posten in der Agrarindustrie, im Bauernverband oder in der agrarnahen Finanzwirtschaft. Einflüsse nehmen also vor allem Personen, welche Multifunktionsträger oder Vielfachfunktionäre sind. Besonders hoch ist der Anteil von Mitgliedern des Bundestags mit einem Landwirtschaftsbezug dabei in der CDU/CSU Fraktion: Bis zu 85 Prozent ihrer Abgeordneten weisen einen Bezug zur Land- und Agrarwirtschaft auf. Acht der CDU/CSU-Abgeordneten im Agrarausschuss mit Bezug zur Landwirtschaft übernehmen zudem Leitungsfunktionen in den verschiedenen Ebenen des Bauernverbands.
Die Studie deckt wesentliche Bereiche in der deutschen Agrarpolitik sowie der Agrar- und Ernährungswirtschaft ab, wobei zwischen sieben Gruppen unterschieden wird: Finanzen, Agrar- und Ernährungswirtschaft, Agrochemie, Verbände, Politik, Behörden, Stiftungen. Ein besonderes Augenmerk wurde dabei auf die dem landwirtschaftlichen Sektor vor- und nachgelagerten Wirtschaftszweige gelegt, also die Finanzwirtschaft und die verarbeitenden Agrar- und Ernährungswirtschaft.
Insgesamt wurden 93 Akteure aus der Politik und über 75 Institutionen wie Verbände und Unternehmen in die Analyse einbezogen, wobei mehr als 560 direkt und indirekte Verflechtungen zwischen der Finanzwirtschaft, Agrochemie, Agrar- und Ernährungswirtschaft und Verbänden sowie mehrere Netzwerkknoten zur Kommunikation analysiert werden konnten. Ob dabei noch von einer Unabhängigkeit der Agrarpolitik im Bundestag und im EU-Parlament gesprochen werden kann, ist fraglich. Eine Schlüsselrolle nimmt laut den Autoren der Studie der Deutsche Bauernverband DBV ein. Hier kämen wichtige Akteure und Institutionen zusammen, um ihre agrar- und umweltpolitischen Positionen abzustimmen.
Das Ergebnis der Studie findet sich in der nachfolgenden Abbildung.
Zu erkennen ist: Das Netzwerk deckt mit seinen vielfältigen personellen und institutionellen Verflechtungen alle wesentlichen Bereiche der Agrarpolitik und des Agrobusiness ab und ist in seiner Komplexität kaum durchdringbar. Zum einen betrifft das die Vernetzung des Deutschen Bauernverbands mit Unternehmensbereichen wie der Finanzwirtschaft, dem Agrarhandel und der verarbeitenden Industrie. Zum anderen sind auch die sektorspezifischen Interessensverbände eng miteinander verflochten. Verbindungen in die Politik und Behörden funktionieren über Abgeordnete, die mit dem DBV sowie der Agrarwirtschaft verflochten sind. Diese Verflechtungen könnten Hinweise auf eine interessengeleitete Einflussnahme auf rechtliche und förderpolitische Rahmensetzungen in der EU und in Deutschland darstellen.
Zudem ergibt sich ein Erklärungsansatz, wieso Entscheidungen in der Agrarpolitik im Widerspruch zu aktuellen wissenschaftlichen Empfehlungen und Erkenntnissen getroffen werden: Reformen zum Wohle der Umwelt und Natur, des Tierwohls sowie des Gewässer- und Klimaschutzes scheitern laut Studie demnach oftmals an der systematischen Verhinderung durch Interessensvertreter.
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