Evo Morales Umfragewerte rutschen in den Keller
Nicht allein durch diese Aussage rutschen Evo Morales Umfragewerte immer mehr in den Keller. Bolivianische Frauen verurteilen ihren indigenen Präsidenten als frauenfeindlich und bezeichnen ihn als "Machista", als einen Mann, der seine Männlichkeit unverhältnismäßig zur Schau stellt.
Doch der vielseitige Protest gegen seine Person wird durch den geplanten Bau einer Schnellstraße durch das Schutzgebiet TIPNIS verstärkt. TIPNIS ist die Abkürzung für Territorio Indígena Parque Nacional Isiboro Sécure, ein seit 1965 als Schutzgebiet deklarierter Nationalpark von 12.000 Quadratkilometern, der von den etwa 50.000 Einheimischen "Großes Haus" genannt wird.
Mitten durch den Nationalpark ist der Bau einer insgesamt 306 Kilometer langen, mehrspurigen Schnellstraße geplant. Diese soll 415 Mio USD kosten, wovon Brasilien den Großteil von 332 Mio USD finanziert. Die Schnellstraße soll einen Korridor vom Atlantik zum Pazifik schaffen.
Protestmärsche sind Usus in Bolivien
So sehr dies vielleicht wirtschaftlich Sinn machen könnte, die Fronten sind seit einigen Wochen zunehmend verhärtet. Auf der einen Seite durch die Ankündigungen des Präsidenten und Vizepräsidenten, dass diese Straße “si o si“, also auf jeden Fall gebaut wird - ohne vorherige Befragung der Betroffenen, wie es per Gesetz in derartigen Situationen vorgeschrieben ist. Auf der anderen Seite haben sich die Einheimischen des TIPNIS derweil zahlreichst auf den Weg gemacht. Solche Protestmärsche sind Usus in Bolivien. Evo Morales hat in seiner politischen Laufbahn bereits mehrere angeführt – heute steht er jedoch auf der anderen Seite.
Der Präsident möchte anscheinend vermeiden, das Gesicht zu verlieren, denn der Ausbau einer direkten Verbindungsstraße zwischen Cochabamba und Trinidad und weiter nach Brasilien beruht auf internationalen Verhandlungen, die bereits Mitte 2010 abgeschlossen wurden. Deshalb sind mit brasilianischer Unterstützung die Straßenbauarbeiten südlich des Nationalparks auf den 47 km von Villa Tunari nach Isinuta bereits im Gange, genauso wie im Norden des Parks mit den 82 km von San Ignacio de Moxos nach Monte Grande de Aperé begonnen worden ist.
Angst vor Abholzung und Mafia
Die Einwohner der betroffenen Region im Nationalpark und die zahlreichen Umweltschützer, die sich dem Protest angeschlossen haben, fürchten die Zerstörung von Primärwald, die Abholzung entlang der Erschließungszone, die Kolonisierung durch Cocabauer und das machtvolle Eindringen von Kartellen der Drogenmafia.
TIPNIS ist eines der Beispiele für den doppelzüngigen Diskurs der bolivianischen Regierung über den Schutz von Mutter Erde, der Pachamama. Rechtzeitig zum Klimagipfel in Cancún im Dezember 2010 erließ Bolivien das Gesetz N° 071 – Gesetz der Rechte der Mutter Erde in dessen Präambel steht:
„Mutter Erde ist ein lebendiges und dynamisches System, zusammengesetzt aus der unsichtbaren Gemeinschaft aller Lebenssysteme und Lebewesen, untereinander verbunden, unabhängig und sich ergänzend, eine Schicksalsgemeinschaft bildend. Mutter Erde gilt in der Weltanschauung der Nationen und der einheimischen, indigenen, kleinbäuerischen Völker als heilig.“
Ley N° 071 – Ley de Derechos de la Madre Tierra del 21 de diciembre de 2010 – Preámbulo: La Madre Tierra es el sistema viviente dinámico conformado por la comunidad indivisible de todos los sistemas de vida y los seres vivos, interrelacionados, interdependientes y complementarios, que comparten un destino común. La Madre Tierra es considerada sagrada, desde las cosmovisiones de las naciones y pueblos indígena originario campesinos.
Bolivien kann wenig im Umwelt vorweisen
Trotz seines vielbeachteten Gesetzes für Mutter Erde kann Bolivien bisher im Bereich Schutz von Mutter Erde und der Umwelt wenig vorweisen. Der geplante Straßenbau durch den TIPNIS macht dies deutlich. Für die Menschen in Bolivien wird es mehr und mehr zur Frage, wer sich für oder gegen die Regierungspartei MAS zu positioniert. Während die Tieflandindianer seit Tagen in Richtung La Paz marschieren, um den Bau dieser Straße durch ihr Stammesgebiet zu verhindern, sammeln sich in den Großstädten Boliviens die Anhänger der MAS-Partei zu Gegenprotesten. Ob ein weiteres Mal die Natur wirtschaftlichen Interessen weichen muss oder ob doch diesmal das Recht von Mutter Erde durchgesetzt wird, ist derzeit offen.
Naturefund unterstützt seit drei Jahren Aufforstungs- und Schutzprojekte in Bolivien. Zusammen mit Noemi Stadler-Kaulich unterstützt Naturefund den Aufbau eines Agroforstsystems im Hochland von Bolivien.
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