Was kostet Atomstrom tatsächlich?
Deutschland ist vom Uran zu 100-Prozent importabhängig. Kaum jemand spricht darüber, dass der Uranbergbau in vielen Förderländern oft mit hohen Folgekosten für Umwelt und Menschen verbunden ist. Selbst in Deutschland betreibt die Wismut GmbH seit 20 Jahren ein gigantisches Sanierungskonzept, um hochgiftige und radioaktive Abfällen vom ehemaligen Uranbergbau in Thüringen und Sachsen zu bewältigen.
Die Diskussionen zum Thema Atomenergie scheinen eigenartig verzerrt und einseitig. Da wird bei Atomkraft von klimafreundlicher Technologie und Versorgungssicherheit gesprochen, von langfristiger Perspektive und Brückentechnologie. Doch die öffentliche Diskussion blendet viele Aspekte aus.
Sicher, neben Kohle mit 43,2 % dominiert Atomkraft mit 22,8 % immer noch den deutschen Strommarkt, so das Bundeswirtschaftsministerium 2010. Doch dasselbe Ministerium hat bereits am 11. August 2008 in seinem Monitoringbericht zur Versorgungssicherheit im Strombereich nach § 51 Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) bestätigt, dass die Versorgung in Deutschland sicher gestellt ist, selbst wenn alle 17 deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet werden. Das Stromnetz ist heute europaweit und Strom wird aus den Nachbarländern bezogen oder an diese verkauft. Irgendwo in Europa scheint immer die Sonne oder bläst der Wind. Das Thema Versorgungssicherheit scheidet als Argument für Atomenergie also aus.
Ein Jahr nach der Veröffentlichung des Monitoringberichts des Bundeswirtschaftsministeriums wurde der Deutsche Klimaschutzpreis 2009 an Dr. Kurt Rohrig vom Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) vergeben. Rohrig wies nach, dass mit einem regenerativen Kombikraftwerk und bereits heute verfügbarer Technologie in Deutschland jederzeit und an jedem Ort eine bedarfsgerechte Vollversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern möglich ist. Mit dem Kombikraftwerk von Rohrig brauchen wir also nicht auf das Jahr 2050 zu warten, sondern können bei einer entsprechenden Ausrichtung der Politik den Umbau hin zu einer Vollversorgung mit erneuerbaren Energie in wenigen Jahren realisieren.
Rohrig stellte seine Ergebnisse vor einem Jahr vor. Was ist seitdem geschehen? Anstatt eine bedarfsgerechte Vollversorgung mit Strom aus erneuerbaren Energieträgern auf- und auszubauen, hat die Bundesregierung die Diskussion über Atomenergie vorangetrieben. Ihr Hauptargument ist, dass der Umbau der bestehenden Energiesysteme hin zu einer Vollversorgung aus erneuerbaren Energien Zeit und damit eine sogenannte Brückentechnologie braucht. Doch die Anforderungen eines Umbaus hin zu erneuerbaren Energien sind derart gestaltet, dass Atomenergie als Brückentechnologie ausscheidet, wie eine aktuelle Studie vom Wuppertaler Institut vom August 2010 nachweist.
Der Anteil der erneuerbaren Energien hat sich in nur zehn Jahren von 5,4 % in 1999 auf 16,3 % in 2009 verdreifacht (BMU). Im 'Nationalen Allokationsplan für erneuerbare Energien' der Bundesregierung vom 4. August 2010 wird für den Stromsektor bis zum Jahr 2020 ein erneuerbarer Anteil von 38,6 % erwartet. Erneuerbare Energien werden vorwiegend von Wind- und Solarstromanlagen produziert. Diese zeichnen sich durch eine stark fluktuierende Einspeisung aus, je nach Windstärke und Sonneneinstrahlung.
Das erfordert vor allem den Aufbau von Energiespeichersystemen, um Spitzenlasten abzufangen und das Energieangebot bedarfsgerecht zu steuern. Darüber hinaus sind leicht regelbare Kraftwerke notwendig, die flexibel die Differenz zwischen Stromangebot und -Nachfrage an sonnen- und windarmen Tagen ausgleichen können. Für so eine flexible Regelung eignen sich insbesondere Gaskraftwerke: Sie können innerhalb von 1 bis 4 Stunden hoch- oder runter gefahren werden, weisen von allen fossilen Kraftwerken die geringsten Emissionen auf und können tendenziell auch bei geringer Auslastung wirtschaftlich betrieben werden.
Ganz anders Atomkraftwerke: Ein Atomkraftwerk braucht bis zu 48 Stunden, um an- oder abgeschaltet zu werden. Der Wirkungsgrad und damit auch die Stromproduktion im Teillast- und Wiederanfahrbetrieb verschlechtert sich erheblich. Ein fortwährendes Hoch- und Runterfahren von Atomkraftwerken würde zudem das Material stark beanspruchen, Wartungsarbeiten häufiger erfordern und das Sicherheitsrisiko signifikant erhöhen. Da Atomkraftwerke weder flexibel regelbar sind, noch wirtschaftlich oder sicher bei Teillast arbeiten, scheiden sie als Brückentechnologie für den Umbau hin zu einer erneuerbaren Energieversorgung aus.
Schon heute gibt es Hinweise, dass die bisher unzureichende Flexibilität des konventionellen Kraftwerksparks mit Kohle- und Atomkraftwerken dazu führt, dass die im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) verbriefte vorrangige Einspeisung von erneuerbaren Energien teilweise unterlaufen wird und z. B. Windkraftanlagen abgeregelt werden müssen, weil Kernkraftwerke noch am Netz sind, so Reimer, N. 2010. Zwar muss in diesem Fall der Netzbetreiber den Windparkbetreiber für den nicht produzierten Strom entschädigen, diese Kosten kann er sich jedoch über die EEG-Umlage wieder erstatten lassen. Der Strom wird dann von den Kunden und Kundinnen doppelt bezahlt.
Wie wird das 2020 aussehen bei einem Anteil von knapp 40 % der erneuerbaren Energien am Deutschen Strommix und einem nach wie vor bestehenden konventionellem Kraftwerkspark?
Ein weiterer, kaum angesprochener Punkt in der allgemeinen Diskussion ist das Märchen vom sauberen Uran. Der Abbau von Uran ist weder sauber, noch rückstandslos oder sicher. Nur ein Teil des zu Tage geförderten Gesteins kann als 'Yellow Cake' Grundlage für die Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke sein. Für die Herstellung eines 'Yellow Cakes' sind oft Tausende Liter von Wasser notwendig, um das brauchbare Uran herauszufiltern. Zurück bleiben Berge von radioaktivem, hochgiftigem Gestein und große Seen von radioaktivem Klärschlamm. Nirgendwo ist es bisher gelungen, die Hinterlassenschaften des Uranbergbaus nachhaltig und rückstandslos abzubauen – auch in Deutschland nicht.
Zwischen 1946 und 1990 wurde in Thüringen und Sachsen Uran im großen Stil abgebaut. Die Sowjetisch-Deutsche Aktiengesellschaft Wismut wurde zeitweise zum weltweit drittgrößten Produzenten im Uranbergbau. Doch nach dem Ende der DDR war allen Verantwortlichen bewusst, dass der gefährliche Abbau von Uran in einer dicht besiedelten Demokratie nicht möglich ist. Der Uranbergbau wurde daher gestoppt und das Nachfolgeunternehmen Wismut GmbH mit der Rekultivierung der ehemaligen Bergbaulandschaften beauftragt. Seit 1990 sind etwa 1.500 Angestellte damit beschäftigt, die Hinterlassenschaften der Wismut allen voran des Uranbergbaus zu beseitigen. Ursprünglich war das Ziel, bis Ende 2010 den Rückbau der Bergbaulandschaften abzuschließen. Doch die Wismut wird vor allem mit den Rückständen des Uranbergbaus nicht fertig.
Im Sommer 2010, in der Hochzeit der Diskussion um die Verlängerung der Atomkraftwerke, wurde bekannt, dass der Rückbau des Uranbergbaus in Deutschland vermutlich weitere 10 bis 20 Jahre in Anspruch nehmen wird. Die Kosten dafür tragen die Steuerzahler und -Zahlerinnen. Doch wenn ein Hochtechnologieland wie Deutschland mit Hunderten Millionen von Steuergeldern nicht dazu in der Lage ist, den Bergbau von Uran nachhaltig zu beseitigen, wie sieht es dann erst in Kasachstan oder Namibia aus, beides Hauptlieferanten für deutsches Uran?
„Atomenergie ist keine Lösung, um den Klimawandel abzubremsen,“ so Katja Wiese, Geschäftsführerin der Naturschutzorganisation Naturefund. „Wir wollen damit vermeintlich ein Umweltproblem lösen und schaffen uns unzählige andere. Solange die Menschheit noch keine Technologie entwickelt hat, wie sie mit den Resten des Uranabbaus oder dem Atommüll nachhaltig umgehen kann, solange dürfen wir Atomenergie nicht nutzen. Den radioaktiven Müll nachfolgenden Generationen aufzubürden, und ich spreche nicht von einer, sondern von Tausenden von Generationen, ist verantwortungslos."
Die Naturschutzorganisation Naturefund ist Partnern des Atlantis Natur- und Umweltfestivals in Wiesbaden. Ein Schwerpunkt des Festivals ist das Thema Atomenergie. Am Mittwoch den 28. September wird auf dem Festival die Weltpremiere 'Yellow Cake – die Lüge von der sauberen Energie' gezeigt. Der Film informiert über das riesige Sanierungskonzept der Wismut in Thüringen und Sachsen und nimmt die Zuschauer und Zuschauerinnen mit auf eine Reise zu den großen Uranminen der Welt. Zu Gast bei der Weltpremiere am 28. September auf dem Atlantis Filmfest werden die Regisseure Joachim Tschirner und Burghard Drachsel sein. Sie stehen nach Abschluss des Films für Fragen und Diskussionen mit dem Publikum zur Verfügung.
Mehr über die Zusammenarbeit von Naturefund und Atlantis: www.naturefund.de/atlantis2010
Zu den Pressefotos: www.naturefund.de/pressefotos
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