„Wenn ich erwachsen bin, dann kaufe ich Natur!“ Das hat sich Katja Wiese mit 14 Jahren geschworen, als sie mit einem Bauern über die ehemaligen Sümpfe von Husum tuckerte. Damals erfuhr sie, dass die Trockenlegung der Sümpfe einen riesigen Verlust an Tier- und Pflanzenvielfalt mit sich gebracht hatte und war zutiefst schockiert. Heute lebt die mittlerweile 39-Jährige ihren Kindheitstraum. Seit Mai 2004 existiert ihre eigene Umweltschutzinitiative: „Naturefund. Wir kaufen Land für Natur!“
Expandieren!
Liebe Leserin, lieber Leser, Katja Wiese sitzt in den hellen Büroräumen eines großen Wiesbadener Altbaus. Mit ihrem braunen Pagenschnitt und der eleganten Bluse wirkt sie so professionell, als würde sie hier schon seit Jahren arbeiten. Doch es ist gerade mal vier Wochen her, dass sie Naturefund noch von zuhause aus gemanagt hat. „Ich wollte expandieren, besitze aber noch kein Budget für eigene Büroräume. Also habe ich einfach bei einigen Firmen in der Nachbarschaft geklingelt und mein Projekt vorgestellt,“ erzählt sie begeistert. Michael Münch, Geschäftsführer einer Multimedia-Agentur war sofort so angetan, dass er ihr seitdem kostenlos zwei Arbeitsplätze mit Computer, Telefon und anderem Zubehör zur Verfügung stellt. Einer von vielen Überraschungserfolgen, die den Weg von Naturefund pflastern.
Spenden leicht gemacht
„Meine Vision ist, dass 2020 in jedem Land der Erde zehn Prozent der Fläche unter Naturschutz stehen und mit Naturefund möchte ich meinen Beitrag dazu leisten,“ beschreibt Katja Wiese ihr Projekt. Seit sie mit ihrem gemeinnützigen Verein an die Öffentlichkeit gegangen ist, hat sie bereits 130.000 Quadratmeter Natur kaufen und somit unter dauerhaften Schutz stellen können. Dazu gehören ein Sumpfwald in Nordhessen, ein Buchenwald im Vogelsberg, eine Feuchtwiese in Rheinland-Pfalz, ein Teich, ein Quellbereich und ein Eichenwald nördlich von Frankfurt. Meistens ist es so, dass NABU, BUND oder andere Umweltschutzorganisationen auf Katja Wiese zukommen, sobald sie zum Verkauf angebotene Naturflächen entdecken. Während die Mitarbeiter dieser Naturschutzverbände oft wissen, wie Land gepflegt und betreut werden muss, kennt sich die Unternehmensberaterin Katja Wiese mit dem Marketing und dem Fundraising aus. Naturefund ist so aufgebaut, dass vielen Menschen ein einfacher und interessanter Zugang zu verschiedenen Spendenmöglichkeiten eröffnet werden soll; und sobald die Kaufsumme für ein Projekt komplett ist, wird sie von Katja Wiese an die betreffende Umweltschutzorganisation übergeben. Sollte diese das Land irgendwann wieder verkaufen, fällt das Geld an Naturefund zurück und kann für neue Initiativen eingesetzt werden. „Meine Arbeit funktioniert wie ein Scharnier zwischen Organisationen und Naturfreunden,“ sagt sie.
Jeder Beitrag zählt
Das wichtigste Mittel des Fundraisings ist bei Naturefund das Internet. Über die Website des Vereins können sich Interessierte sehr leicht am Umweltschutz beteiligen und ihre Spenden direkt überweisen: Wer eine „Patenschaft“ eingeht, kauft 30-Quadratmeter-Parzellen eines aktuellen Projektes für jeweils 30 €. „Förderer“ spenden monatlich 2,50 € und helfen damit, den Regenwald der Honduras aufzuforsten; innerhalb von sechs Wochen sind so schon 1000 Bäume gepflanzt worden. Als „Meilenschreiter“ ist man mit 500 € oder mehr im Jahr dabei und finanziert dadurch Landkaufprojekte plus Marketing. „Es gibt viele Menschen, die etwas tun möchten für die Welt, die aber nicht genau wissen wie und sich hilflos fühlen. Diesen Menschen biete ich den Rahmen, aktiv zu werden,“ erklärt Katja Wiese. Mittlerweile hat Naturefund 1500 Paten, 250 Förderer und fünf Meilenschreiter. „Wir brauchen noch mehr! Jeder Beitrag zählt und jeder gibt, was er kann.“ So zum Beispiel auch eine kleine Schülerin aus Wiesbaden, die Katja Wiese ab und zu ermutigende Worte schreibt und Flyer von Naturefund an ihrer Schule verteilt.
Von Springfröschen und Erdkröten
Stolz berichtet die Naturliebhaberin von ihren bisherigen Errungenschaften. „Mit dem Kauf der Feuchtwiese im Sahrbachtal in der Eifel zum Beispiel haben wir ein artenreiches Biotop gesichert. Dort wachsen Gräser, Binsen und Seggen. Viele Tiere brauchen die Wiese als Lebensraum.“ Zu ihnen gehört der seltene Springfrosch, der als gefährdete Art gilt, weil er auf dem Weg zu geeigneten Laichgewässern oft dem Straßenverkehr zum Opfer fällt. Naturefund hat deshalb einen kleinen Teich auf der Wiese angelegt, der den Fröschen von nun an als sicherer Laichplatz dient und ihnen den gefährlichen Marsch über die nahe gelegene Straße erspart. Im Sumpfwald an der hessichen Grenze zu Thüringen, den Katja Wiese im Sommer 2005 erworben hat, sind es vor allem die Vögel, die geschützt werden. Rund 230 Vogelarten wurden hier beobachtet, unter anderem auch 50 Graureiher- Brutpaare, die im Sumpfwald ihre Jungen groß gezogen haben. „Der Wald war vorher in privater Hand. Wer weiß, was passiert wäre, wenn ihn ein anderer gekauft hätte.“ Katja Wiese ist zufrieden. Kein Wunder, bei all den Bergmolchen, Erdkröten oder Eisvögeln, die ihr und ihren Mitstreitern das eigene Fortbestehen verdanken.
Eine seltene Chance
Jetzt geht es darum, das Braunkehlchen, die Ringelnatter und das breitblättrige Knabenkraut zu retten. Sie leben alle im Niedermoor Klosterfelde, rund 65 Kilometer von Berlin entfernt. Zusammen mit der gemeinnützigen Gesellschaft Die TierPaten hat Naturefund schon 86.000 des insgesamt 370.000 Quadratmeter großen Gebietes erwerben können. 19.000 weitere Quadratmeter stehen noch zum Verkauf, die Eigentümer der restlichen Fläche sind bisher unbekannt. Sie leben zum Teil weltweit zerstreut und sind nicht leicht aufzufinden. Davon lässt sich Katja Wiese natürlich nicht stoppen: „Ein so großes, zusammenhängendes Moor kaufen zu können und damit dauerhaft die Vielfalt der Arten zu sichern, ist eine einzigartige Gelegenheit. Die lassen wir uns nicht entgehen!“
Die Macht des Einzelnen
Momentan kann die gebürtige Hamburgerin trotz großem Einsatz noch nicht von ihrem Verein leben: 80 Prozent der Spenden gehen in die Projekte, 20 Prozent an Naturefund. Ihr Wunsch ist es, ihren Lebensunterhalt eines Tages mit ihrem Verein zu finanzieren. Während sie zur Zeit noch nebenher als freiberufliche Unternehmensberaterin arbeitet, würde sie dann ihre ganze Kraft und Aufmerksamkeit dem Naturschutz widmen können. „Ich werde alles daran setzen, dass mein Traum von 2020 wahr wird,“ sagt sie. „Wir sehen gewaltigen Klimaveränderungen entgegen und die Frage ist: Wie gehen wir damit um? Die Verantwortung liegt nicht nur bei den Politikern, sie liegt in der Hand eines jeden Einzelnen. Haben wir den Mut, die Wachheit und den Humor, wirklich weiterzugehen? Die Lösungen stehen bereit.“ Direkt zum aktuellen Landkauf-ProjektDirekt zum aktuellen Aufforstungs-Projekt