Mehrere Personen arbeiten in einer Dynamischen Agroforst-Reihe auf einem Pilotacker der Naturschutzorganisation Naturefund in Wiesbaden
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Stadtbegrünung für Mensch und Natur

Zu wenig Grünflächen in europäischen Städten

Nach derzeitig verfügbaren Daten der Europäischen Umweltagentur macht die grüne Infrastruktur, also beispielsweise Klein- und Privatgärten, Straßenbäume, Gewässer und Feuchtgebiete, in Europa durchschnittlich 42 % der Stadtfläche aus. Dabei variieren die Anteile an der Gesamtgrünfläche von 96 % in Cáceres in Spanien bis zu 7 % in Trnava in der Slowakei. Der öffentlich zugängliche Teil von Grünflächen innerhalb der untersuchten europäischen Städte ist dabei allerdings mit im Durchschnitt nur 3 % der gesamten Stadtfläche relativ gering. 

Zwar nimmt auch der Trend hin zum Gärtnern und Urban Gardening in den letzten Jahren immer weiter zu, doch immer noch weniger als die Hälfte der europäischen Stadtbevölkerung lebt in einem Umkreis von 300 Metern um eine Grünfläche – eine Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation.  

Zeit im Grünen fördert die körperliche und psychische und Gesundheit

Eine grüne Infrastruktur in Städten dient dem physischen, psychischen und emotionalen Wohlbefinden der Bevölkerung. So kann durch den Aufenthalt und die Betätigung im Grünen nicht nur Stress abgebaut werden. Daneben stärkt der Aufenthalt in natürlich begrünter Umgebung das Immunsystem und kann Heilungsprozesse unterstützen. Die Vorteile reichen von einem geringeren Risiko für Fettleibigkeit bei Kindern über eine bessere kardiovaskuläre Gesundheit bis hin zu einer geringeren Depressionsrate bei Erwachsenen. 

Ähnliches belegt eine Studie der Universität Arhus, die den Lebensraum und die psychische Gesundheit von 900.000 Dänen untersucht hat. Menschen, die in der Nähe von Wäldern, Wiesen, Gärten oder Parks wohnten, hatten ein deutlich geringeres Risiko, eine von 16 untersuchen psychischen Erkrankungen zu bekommen. So verringert eine Kindheit umgeben von Grün das Risiko für psychische Erkrankungen laut Studie um bis zu 55 Prozent. Die Harvard University kommt zudem in einer Studie zu dem Ergebnis, dass die Lebenserwartung bei Personen, die in der Nähe von Grünflächen und Natur wohnen, deutlich höher ist.

Abkühlung für die Wärmeinsel Stadt

Eine grüne Infrastruktur in Städten fördert die Entstehung von Kaltluft und Verdunstungskühle sowie den Luftaustausch. Ein ausgeprägtes Stadtgrün kann damit stark zur Verbesserung des Klimas innerhalb einer Stadt beitragen. Bäume sorgen beispielsweise für einen Kühlungseffekt ihrer unmittelbaren Umgebung von 1 bis 8 Grad, indem sie Wasser verdunsten lassen und spenden zudem Schatten vor Sonneneinstrahlung. Die Technische Universität München (TUM) zeigte im Rahmen einer mehrjährigen empirischen Studie, dass ein Grünflächenanteil von rund 40 % in der Stadt, einschließlich Rasenflächen, Gründächern und begrünten Wänden, nötig ist, um die Temperatur im Sommer runter zu kühlen.

Wichtig ist die Abkühlung von Städten, da diese aufgrund von Versiegelungen und dichter Bebauung Wärmeinsel darstellen. So war in der Studie der TUM die mittlere Lufttemperatur über einen betrachteten Zeitraum von drei Jahren an innerstädtischen Standorten im Vergleich zu suburbanen Standorten im Sommer um 1,3 Grad Celsius und im Winter um 5 Grad Celsius höher. Daneben zeigen Daten des Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit, dass es in Innenstädten nachts bis zu über zehn Grad wärmer als im Umland werden kann. Mit dem Klimawandel einhergehend werden heiße Tage und Nächte mit mehr als 20 Grad Minimaltemperatur bis zum Jahr 2100 drastisch zunehmen. Umso wichtiger ist es also, auch in der Stadt Klimaanpassungen anzugehen und sich auf eine hitzereduzierte Gestaltung der Städte zu fokussieren.

Schutz vor schädlichen Immissionen

Grünflächen können Luftschadstoffe und Feinstaub absorbieren und sich somit positiv auf die Luftqualität in Städten auswirken. Stadtgrün leistet damit einen weiteren Beitrag zur Gesundheit von Stadtbewohnern, denn die Minderung von Luftschadstoffen kann zur Gesundheitsvorsorge insbesondere auch bei Kindern, Älteren oder Kranken beitragen. 

Hinzukommt, dass Grünflächen Regenwasser zurückhalten, zur Versickerung des Wassers beitragen, und damit die Menge von abfließendem Wasser in die Kanalisation verringern. So lassen sich auch Hochwasserspitzen bis zu einem gewissen Grad durch Stadtgrün reduzieren. Daneben tragen die Grünflächen mit der Filterung von Regenwasser zur Neubildung von sauberem Grundwasser bei. 

Städte als gemeinsamer Lebensraum – Steigerung der ökologischen Vielfalt

Der Schutz der biologischen Vielfalt ist eine der wichtigsten Aufgaben einer grünen Stadtentwicklung. Ausgeprägte und artenreiche natürliche und naturnahe Flächen in Städten können eine Vielfalt an Lebens- und Rückzugsräumen für zahlreiche Tier- und Pflanzenarten schaffen und damit die ökologische Vielfalt erhöhen. Tiere profitieren primär vom sogenannten „vernetzten Grün“, also der engen Verbindung von Waldabschnitten, Parkanlagen, Wiesen, Alleen und sonstigen Grünflächen in Stadtgebieten. Forschende der Universität Bern fanden heraus, dass die Artenvielfalt in Städten mit ausreichend Grünflächen sogar höher ist als in unseren derzeit ausgeräumten, monokulturellen Agrarlandschaften. 

Wichtig bei der Anlage von Stadtgrün ist, eine große Vielfalt an Biotopen zu schaffen, um möglichst umfassende Lebensräume und Futterquellen für eine Vielzahl an Arten bereitzustellen. Der Dynamische Agroforst bietet mit dem Prinzip der Vielfalt hierfür beste Voraussetzungen. Durch die dichte Pflanzung von unter anderem Bäumen, Sträuchern, Blumen und Kräutern bietet er unterschiedlichsten Arten vielfältige Biotope. Auch eine aktuelle Studie aus Australien zeigt den positiven Effekt von einer vielfältigen Bepflanzung im Stadtgrün: Ein Forschungsteam der Universität Melbourne konnte durch die Erhöhung der Vielfalt einheimischer Pflanzen in städtischen Gebieten ein Versiebenfachen der Insektenarten innerhalb von drei Jahren beobachten.

Jetzt Stadtgrün fördern!

Quellen:

Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit; Europäische Umweltagentur I; Europäische Umweltagentur II Universität Arhus; Harvard University; Technische Universität München; Universität Melbourne; MDR