Exkursion zu den letzten Brutgebieten in Hessen stieß auf großes Interesse
Unter fachkundiger Führung wurde einer der letzten Rast- und Brutplätze des Kiebitz in Hessen besucht. Die Veranstalter freuten sich in Langenselbold über gut 50 interessierte Teilnehmer und Teilnehmerinnen.
Der Ruf des in Hessen inzwischen stark gefährdeten Kiebitzes war früher ein sicheres Zeichen für den beginnenden Frühling im Lande. Zu ihren besten Zeiten sollen es über 2.000 Brutpaare gewesen sein, die im feuchten Grünland der hessischen Bach- und Flussauen nisteten, ihre Jungen aufzogen und nach Nahrung suchten. Heute sind die großen Schwärme der taubengroßen Vögel mit dem lustigen Federschopf auf dem Hinterkopf nahezu verschwunden. Und mit ihnen ihre akrobatischen Balzflüge im Frühjahr.
Kiebitzbestand auf knapp 150 Brutpaare gesunken
Nur einige Menschen, die den akrobatischen Balzflug noch in Erinnerung haben, ist in den letzten Jahren bewusst geworden: Den Kiebitz haben sie schon lange nicht mehr zu Gesicht bekommen. Die Exkursionsleiter Günter Könitzer und Susanne Hufmann erklärten dies mit ausgedehnten Entwässerungen. „Auch der großflächige Umbruch von Feuchtgrünland zwang die Flugkünstler dazu, die neuen Brut- und Rastplätze zu räumen und auf Ackerland auszuweichen. Mit mäßigem bis gar keinem Erfolg: Rasche Fruchtfolgen, Dünger und Pestizide lassen den Nachwuchs zu Grunde gehen und immer weniger Kiebitze kehrten nach Hessen zurück. Innerhalb weniger Jahre ist der Bestand um 95 % auf nur 150 Brutpaare gesunken.“
Selbst die feuchten Wiesen und Weiden sind nicht die angestammten Lebensräume der Wiesenvögel. Ursprünglich besiedelten sie flache, baumarme und weithin offene Landschaften wie bspw. Hoch- und Niedermoore, Ufergrünland oder Salzwiesen. Erst als Kulturfolger des Menschen haben Wiesenvögel im extensiv bewirtschafteten, wechselfeuchten bis nassen Grünland vorübergehend günstigere Lebensbedingungen vorgefunden.
Renaturierung am Ruhlsee
Als erste Etappe lernten die Exkursionsteilnehmer den Langenselbolder Ruhlsee kennen, der im Zuge einer großen Renaturierungsmaßnahme nun eine Flachwasserzone hat, die mit ihrer Sandinsel ein hervorragendes Nahrungsgebiet für den Kiebitz, aber auch für andere Limikolen, wie die Vögel im Fachjargon genannt werden, darstellt. Denn sowohl der Kiebitz als auch die Bekassine, die Uferschnepfe oder auch der Große Brachvogel suchen ihre Nahrung, die v. a. aus wirbellosen Kleintieren besteht, in schlammigen und feuchten Böden.
Letzter Brutplatz im Langenselbolder 'Flos'
Eine weitere Station auf der Kiebitzwanderung war das Langenselbolder 'Flos'. In der Auenlandschaft der Kinzig ist es einer der letzten bekannten Brutplätze des Kiebitzes im Main-Kinzig-Kreis. Hier konnte die HGON in den letzten Jahren eine Wiese als Kiebitzbiotop renaturieren. In direkter Nachbarschaft steht jetzt eine fast 1 Hektar große Feuchtwiese zum Verkauf. Naturefund und die HGON wollen jetzt diese Wiese kaufen und damit Lebensraum für den Kiebitz, wie auch für viele andere Wiesenvögel erhalten.
Storchenmast seit dem Jahr 2004 besetzt
Hier steht auch ein Storchenmast, der seit dem Jahre 2004 durchgängig als Kinderstube für das einzige Langenselbolder Weißstorchenpaar dient. Aber nur der Storch brütet als Wiesenvogel auf Bäumen oder Masten, auf Dächern oder Schornsteinen. Alle anderen Wiesenvögel brüten auf dem Boden. Das, was sich gegen Räuber und andere Gefahren bewährt hat, genau das wird ihnen nun zum Verhängnis. Keimt erst einmal die Saat auf dem Acker, entpuppt sich dieser als tückische Falle.
Landwirtschaftliche Maschinen überfahren Gelege und Jungvögel, Pestizide vernichten Käfer, aber auch Regenwürmer, Insektenlarven und andere wirbellose Bodentiere, welche die Hauptnahrung des Kiebitzes darstellen. Zudem sind Kiebitzküken nur schwer zu beaufsichtigen. Als Nestflüchter verlassen sie gleich nach dem Schlupf ihre Nestmulde und erkunden neugierig die Umgebung. Die Vegetation darf dabei weder zu hoch sein noch zu dicht stehen, denn das ist für den Bruterfolg von ganz entscheidender Bedeutung.
Lebensweise der Wiesenvögel erschwert ein Überleben
In ausreichender Entfernung vom Brutplatz informierten Günter Könitzer und Susanne Hufmann über die Lebensweise der Wiesenvögel und über ihre Schwierigkeiten, in der von den Bedürfnissen des Menschen geprägten Landschaft zu überleben.
Zwischen dem HGON-Arbeitskreis Main-Kinzig und dem Wiesbadener Naturefund e.V. besteht seit kurzem eine enge Kooperation in Sachen Landkauf und langfristigen Kiebitzschutz. Gemeinsam wollen beide eine Feuchtwiese von knapp 10.000 Quadratmeter kaufen und als Kiebitzbiotop schützen.
Knapp 3.000 Quadratmeter bereits gesichert
Seit Anfang 2010 konnte allein der Arbeitskreis Main-Kinzig über 1.300 m² wertvolles Wiesengrünland durch Spenden sichern. Naturefund sicherte inzwischen ebenfalls etwa 1.300 m². Immer noch aber fehlt das Geld für die restlichen 7.000 m². Durch die Exkursion machten sich potentielle Spender und Spenderinnen ein Bild vom „Wiesenvogelland“ vor ihrer Haustür. Danach stand das Team vom Arbeitskreis Main-Kinzig gemeinsam mit der Naturefund Geschäftführerin Katja Wiese für eine intensive Diskussion zur Verfügung.
„Lebensräume für die einheimischen Arten zu erhalten, ist eine der großen Herausforderungen, insbesondere in Zeiten des Klimawandels. Noch zeigen viele ehemalige intakte Lebensräume, wie dieses Brutgebiet, ein hohes Regenerationspotential. Durch den Kauf der angrenzenden Feuchtwiese von 9.770 Quadratmetern können wir ein intaktes Schutzbiotop von 3 Hektar aufbauen, das sich gerade durch seine Vielfalt an Strukturen als idealer Lebensraum für zahlreiche Arten anbietet.“ so Katja Wiese von Naturefund.
Umstellung auf nachhaltige Landwirtschaft wichtig
Um dem Kiebitz eine Überlebenschance zu geben, ist nach Meinung der Naturschützer ein Umdenken nötig. Und das ist gar nicht so schwierig, wie die folgenden Vorschläge zeigen: Ackerflächen in der Aue sollten in Grünland umgewandelt werden, die Auen sollten wieder vernässt werden und die Ufer an Fließgewässern müssten so abgeflacht so werden, dass das Hochwasser die Wiesen wieder überspülen kann. Ebenso hilfreich wäre eine angepasste Grünlandbewirtschaftung mit einer Extensivierung, kleinteilige Nutzungsmosaike, Pflege von Wiesenbrachen, keine Arbeitsgänge zwischen Mitte März und Anfang Juni und der Verzicht auf Düngung und Pestizide.
„Doch die Umstellung auf eine nachhaltige Landwirtschaft wird dauern. Daher ist ein erster wichtiger Schritt der Kauf von Flächen, um sicherzustellen, dass die letzten Bestände von Kiebitzen wie auch von vielen anderen Arten erhalten bleiben“, so Wiese abschließend.
Wieder finanziert Naturefund den Kauf der Flächen über Patenschaften. Bereits mit 10 € können 4 Quadratmeter für den Kiebitz dauerhaft geschützt werden.
Mehr Informationen über das Projekt gibt es im Internet unter www.naturefund.de/hgon oder www.hgon-mkk.de. Naturefund bittet um Spenden für den Kiebitz. Spendenkonto: Naturefund e. V., Nassauische Sparkasse, BLZ 510 500 15, Konto 101 261 352, Betreff: Kiebitz. Eine Spende ist steuerlich absetzbar.
Mehr über das aktuelle Schutzprojekt erfahren Sie unter: www.naturefund.de/land
Zu den Pressefotos: www.naturefund.de/pressefotos
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