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6. Blog: Im letzten Hochlandregenwald

Am Ende ihrer Reise besucht Katja noch einmal das Hochland von Ankafobe. Es sieht wirklich schlimm aus. Nur ein winziger Rest des schönen Hochlandregenwaldes ist noch übrig. Und dieser ist ständig bedroht durch immer wiederkehrende Feuer.

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Tag 12 – Ankafobe, ein Wald am Abgrund

Heute, am Sonntag, haben Chris und Koto mich nach Ankafobe mitgenommen, zu dem letzten Rest von Hochlandwald, den es in Madagaskar noch gibt. Beim ersten Meeting mit MBG (Missouri Botanical Garden) sagte Christian, der Chef von MBG, es gibt keinen schlimmeren Ort als diesen. Ich muss ihm recht geben. Nachdem wir die Hauptstadt verlassen hatten, fuhren wir gut zwei Stunden durch eine Mondlandschaft. Nur Gras oder roter Fels, ein paar vereinzelte und kümmerliche Eukalyptusbäume und sonst nichts. Die einzige Unterbrechung waren schwarze, verkohlte Flächen, dort, wo es vor kurzem gebrannt hat.

Als wir dann in Ankafobe ankamen, konnte ich kaum glauben, wie klein dieser letzte Rest von Hochlandwald ist und wie anders er im Vergleich zum kargen Grasland aussieht. Ich sah einen Dschungel mit großen Bäume, Palmen und überbordender grüner Vegetation. Ich hätte im tropischen Urwald sein können und hätte den Unterschied nicht gemerkt, wären da nicht die kargen, baumlosen Grasflächen, welche den Dschungel umschließen. In drei Täler schmiegt sich dieser letzte Waldrest und nimmt etwa ein Fläche von 33 (!) Hektar ein. Das ist nicht besonders viel.

Wir wanderten zuerst oberhalb des Waldes entlang der Talkante und Chris erzählte mir, dass auf dieser kleinen Flächen 80 Baumarten vorkommen. Im Stillen dachte ich darüber nach, dass wohl nur noch Insekten, Vögel und kleine Reptilien in dem Waldrest überlebt haben. Weit gefehlt, dort leben drei Lemurenarten, darunter der Fettschwanzlemur, der Mauslemur und der Braue Lemur.

Der Fettschwanzlemur ist die einzige Affenart der Welt und das einzige tropische Säugetier, das Winterschlaf hält. Es wird vermutet, dass dies nicht allein an der Winterkälte, sondern vor allem an der Trockenzeit liegt, welcher der Fettschwanzlemur durch seinen Winterschlaf verkürzt. Eine Forscherin aus North Carolina verbrachte im Frühjahr 2016 viele Nächte im Wald, um diese besondere Lemuren zu erforschen.

Hochlandregenwald aus der Baumschule

Chris zeigte mir anschließend die Baumschule, in welcher sie Setzlinge der Baumarten des letzten Hochlandwaldes ziehen. Etwa 20.000 Setzlinge wachsen hier gerade. Kurz dahinter gab es eine Versuchsfläche, wo sie Baumsetzlinge mit und ohne Schatten entweder direkt am Waldrand oder in etwa 20 m Entfernung vom Waldrand auf dem kargen Grasland gepflanzt hatten. Auf einmal hörte ich einen Überraschungsruf, Chris stand vor den Setzlingen am Waldrand. „ Das ist wirklich erstaunlich“, sagte er, „Schau mal hier, die Baumsetzlinge am Waldrand wachsen so viel besser, egal ob nun beschattet oder nicht, als die in 20 m Entfernung auf dem Grasland. Das ist wirklich interessant.“

Das ist es in der Tat. Auf dem Rückweg durch den Wald diskutieren wir über das Entdeckte. Auch in Parzellen mit dynamischen Agroforst konnten wir beobachten, dass Setzlinge, die nahe großer Bäumen standen, deutlich besser wuchsen, als Setzlinge, die weiter entfernt waren. Offenbar übernehmen die alte, großen Bäume so etwas wie eine Ammenfunktion, spekulierten wir. Oder es hat mit den Pilzen an den Wurzeln der alten Bäume zu tun, die den jungen Bäume helfen, selbst Wurzeln auszubreiten?

Die Idee entstand, dass wir einen Ring von 2 m direkt am Waldrand und rund um den Wald aufforsten ohne Beschattung. Und sobald die Setzlinge etwas größer sind, forsten wir den nächsten Ring um den Wald auf, wieder 2 m mehr. Wir freuten uns über diese Perspektive und sahen den Wald schon wachsen.

Die Realität holt uns immer wieder ein

Doch als wir dann im Auto saßen und den Rückweg antraten, holte uns die Realität ein. Nach knapp fünf Kilometer sahen wir Feuer, auf der linken Straßenseite, das sich unglaublich schnell auf dem Grasland ausbreitete. Wir kehrten um. Zum Glück waren Leute aus der Gegend schon da und bekämpften das Feuer, damit es nicht auf die andere Straßenseite übersprang, dort, wo die Talkante lag, unterhalb derer sich der Hochlandwald befindet. Sie werden von MBG dafür bezahlt, dass sie das Feuer bekämpfen, wenn es den Wald bedroht. Sehr geschickt wurde ein zweites Feuer gelegt, das alles Brennbare entlang der einen Straßenseite in Asche verwandelte und so verhinderte, dass sich das Feuer auf die andere Straßenseite und damit in Richtung des Waldes ausbreitet.

Gerade als dieses zweite Feuer eine schwarzen Streifen von etwa 10 m zur hin Straße verkohlt hatte, kam die eigentliche Feuerwand angerast. Ich stand mit Chris und zahlreichen Menschen an der Straße, bewaffnet mit abgebrochenen Ästen mit vielen Blättern, um mögliche überspringende Feuerherde zu ersticken. Wir wiegten uns schon in Sicherheit, als auf einmal eine unglaublich starke Windböe aufkam, die uns fast umwarf. Erschrocken schaute alle auf die noch grüne Straßenseite und auch auf die Talkante unterhalb derer sich die 30 ha Hochlandwald erstrecken. Kein Feuerfunke war übergesprungen. Puh, Glück gehabt. 5 min früher und 5 m weniger verbrannte Erde und es hätte ganz anders ausgesehen.

Leicht angekohlt, aber erleichtert sende ich Grüße aus Madagaskar.

P. S. Achja, noch vergessen, mittags machten wir Picknick im Wald. Mit uns aßen Ando und Jose. Jose ist Chef einer kleinen lokalen NGO, die sich um den Wald kümmert. Wir erzählten vom dynamischen Agroforst. Ando hatte schon einmal eine Parzelle gesehen, die gut aussah, wie er fand. Ob sie Interesse an einem kleinen Pilotprojekt haben mit vielleicht drei bis fünf Familien? Ja, haben sie. Wir beginnen im Dezember. 

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