Liebe Leserin, lieber Leser
Naturefund schafft sich eine Kuhherde an. Ab Dezember werden Milli, Ricke, Alma, Rosalie und Sunny unser Team verstärken. Alle fünf Kühe gehören zu einer sehr alten und gleichzeitig sehr bedrohten Rinderrasse. Es sind Murnau-Werdenfelser, eine Rinderrasse, die seit 500 Jahren im Raum Österreich und Bayern bekannt ist, dort Berge erklimmt und zugleich, dank ihrer extrem festen Hufe, auch gut in Feuchtgebieten eingesetzt werden kann. Die Rasse ist eher klein, von hellbraun bis schwarz gefärbt und sehr robust. Ihre Milch ist einmalig mit der größten Vielfalt an Milchproteinen und eine Laktoseverbindung, beta-Lactoglobulin W, die nur das Murnau-Werdenfelser Rind hat. Es gibt nur noch 300 reinrassige Tiere. Ein Grund, dass Naturefund diese interessante Rasse erhalten will. Nicht allein wegen ihrer Milch, sondern weil sie für uns eine ideale Rinderrasse zu sein scheint, die wir für Pflegemaßnahmen in Naturschutzgebieten einsetzen können.
Mit Rindern Humus aufbauen
Doch der eigentliche Anstoß, eine Kuhherde anzuschaffen, entstand bei der Lektüre des Buches „Dirt to Soil“ von Gabe Brown, mittlerweile auch auf Deutsch übersetzt. Gabe Brown beschreibt darin, wie er mit seinen Rindern und einer besonderen Beweidungstechnik seine degradierten Böden wieder aufbaute und heute einen Humusgehalt von über 6 % auf seinen Weiden hat – sowie eine überbordende Artenvielfalt. Das war für uns der entscheidende Punkt: Es ist möglich, mit Rindern Humus aufzubauen, ein wichtiger Schlüssel für den Klimaschutz der Zukunft, denn je mehr Humus im Boden ist, umso mehr Kohlenstoff wird gespeichert.
Das Besondere an dieser Beweidungstechnik ist, dass die Tiere vergleichsweise kurz und in großer Dichte eine Stelle beweiden und dann weiterziehen. Dabei fressen die Tiere etwa 1 Drittel Gras ab, treten Drittel platt, so dass es auf dem Boden liegt, und lassen 1 Drittel zum Aussamen stehen. Der Effekt davon: Das Gras wächst stärker. Einer der ersten, der diesen Effekt beobachtete, war Alan Savory, der in afrikanischen Schutzgebieten das Verhalten von großen Wildtierherden beobachtete, die genau das tun, in großer Dichte kurz eine Stelle beweiden und dann weiterziehen. Savory nannte diese Art Beweidung Holistic Grazing oder auch Ganzheitliches Weidemanagement.
Zu Alan Savorys Ted Talk geht es hier
Die Wissenschaft hat festgestellt: Gras liebt moderate Beweidung
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Gras, das nur 30-40% abgeweidet wird, sein Wurzelwachstum anschließend verdoppelt, wobei kurz danach auch das Gras oberirdisch stärker wächst. Wird Gras nun aber mehr abgefressen, so wie in fast allen vom Menschen gesteuerten Weidesystemen der Welt, so stellt das Gras ab einem Verbiss von 70% sein Wurzelwachstum für 17 Tage fast komplett ein. Kein Wurzelwachstum unterirdisch, kein Graswachstum oberirdisch.
Unsere Überlegung ist nun, wenn es uns gelingt, das vielversprechende Anbausystem Dynamischer Agroforst mit dieser Form der Beweidung zu kombinieren, also Tiere in den Anbau zu integrieren, und wir zeigen können, dass sowohl der Humusgehalt im Boden, die Artenvielfalt, aber auch der Ertrag für die Bauernfamilien steigt, dann haben wir ein schlüssiges Modell für einen anderen Weg in der Landwirtschaft.
Es gibt bereits einige Höfe in Deutschland, die schon mit diesem Beweidungssystem arbeiten, so z. B. der Scheuerhof in der Eifel. Ein Besuch im Sommer war für uns eindrücklich, denn selten haben wir gesündere, lebendigere Rinder gesehen. Viviane Theby vom Scheuerhof erzählte, dass sie seit drei Jahren mit der Ganzheitliche Beweidung arbeiten und dadurch mehr als 1.200 Weidetage dazu gewonnen haben. Ob das viel ist, wissen wir nicht, denn wir haben keine Erfahrung mit Kühen. Daher machen wir jetzt erst einmal mit dem gesamten Naturefund-Team einen Kurs im Ganzheitlichem Weidemanagement bevor Milli, Ricke, Alma, Rosalie und Sunny zu uns kommen.
Bilder von Milli, Ricke, Alma, Rosalie und Sunny finden Sie hier
Wir wünschen Ihnen einen schönen Herbst
Ihr Naturefund-Team