Der Anfang
Von 2007 - 2014 unterstützte Naturefund den Schutz von Regenwald im Nationalpark Patuca und pflanzte dabei mehr als 100.000 Bäume. Neben der Wiederaufforstung von abgeholzten Flächen unterstützen wir die Menschen im Nationalpark, auf die Anbaumethode "dynamischer Agroforst" umzustellen. Es ist eine Aufforstungsmethode, mit der essbare Wäder aufgebaut werden können.
Im Oktober 2015 sandte Naturefund Noemi Stadler-Kaulich, eine Mitarbeiterin von Naturefund in Bolivien und Expertin im dynamischen Agroforst nach Honduras, um vor Ort zu schauen, wie sich unser ehemaliges Projekt entwickelt hat. Auch wollten wir sehen, ob und wie wir die Menschen und die Natur am besten unterstützen können.
Die Reise in den Regenwald - Bericht
Wir stehen an einem steilen Hang im Halbschatten von Urwaldriesen inmitten von tropischen Obstgehölzen. Die Kakaobäume tragen reichlich Früchte, genauso wie die Orangen, Mandarinen, Pakay, Avokado und Bananen. Der Boden unter unseren Füßen ist mit einer dichten Laubschicht bedeckt. Darin summt und brummt es.
In der Nähe kreischen Affen, Vögel zwitschern, Insekten schwirren. Wir befinden uns in einem noch relativ intakten Ökosystem im Nationalpark Patuka in Osthonduras. Die Anreise von der Hauptstadt Tegucigalpa dauert rund anderthalb Tage. Der letzte Teil der Strecke ist der gefährlichste.
Von Stromschnellen und Maultieren
In einem Einbaum mit einem kleinen Außenbordmotor geht es mehrere Stunden flussabwärts und dabei auch durch den "Portales", eine Stromschnelle mit gigantischen Steinen. An den Rückweg, wenn diese Engstelle gegen den Strom überwunden werden muss, denke ich jetzt lieber nicht.
Wo es keinen Wasserweg gibt muss man zu Fuß weitermarschieren. Oder an ein Maultier geklammert die steilen, rutschigen Berghänge überwinden. Die zahlreichen Bäche überwindet man trockenen Fußes nur über schwankende Rundbalken, die quer darüber liegen.
Leben mit den Kleinbauernfamilien
Seit mehreren Tagen bin ich nun bei den Kleinbauern und wohne bei einer der Familien. Morgens beginnt das Leben auf dem Hof mit Tagesanbruch, wenn man gerade was erkennen kann. Denn es gibt hier kein Stromnetz. Dann ist es auch noch schön kühl. Der Bauer geht, begleitet von seinem Sohn, den Hang hinauf, um die Kühe zusammen- und hinunter zum Hof zu treiben. Hinter der Hütte, teils aus Stein, teils aus Holz und mit Wellblech gedeckt, liegt der morastige Melkpferch.
Die Kälber sind seit gestern Mittag von den Müttern getrennt und werden nun eins nach dem anderen, in der Geschwindigkeit des Melkvorgangs, zu ihren Müttern gelassen. Sie dürfen kurz an den Nippeln des Euters lutschen, wodurch der Milchfluss eingeleitet wird. Und dann sind sie auch schon am Gatter festgebunden und können nur zuschauen, wie die Milch in den Eimer zischt. Erst wenn die Mutterkuh leergemolken ist, die Durchschnittsmenge beträgt 5 Liter/Tag/Kuh, darf das Kalb die Restmilch aussaugen.
Auch das Melken ist Männersache. Erst in der Küche wird die Milch der Bäuerin übergeben. Sie zweigt einen kleinen Teil für den häuslichen Bedarf ab und gibt in die Milchwanne einen Schuss Lab, um die Milch zu verkäsen. Denn Milch ist bei den hiesigen Temperaturen nicht haltbar. Der feste Käseblock, den hier jede Frau während einer Woche Tag für Tag länger werdend aus der Milch herauspresst, ist dagegen gut an den Mann, sprich Aufkäufer zu bringen.
Von Milch und Käserei zu Kakao?
Die Einnahmen für den Käse, der vom Einkäufer einmal wöchentlich abgeholt wird, ist das einzige Bargeld, das den Menschen in dieser Region zur Verfügung steht. Und es ist herzlich wenig, denn der Aufkäufer kann den Preis drücken. Wer sollte den nicht sehr lange haltbaren Käse in dieser schwer zugänglichen Region abholen wollen? Mehr als eine bestimmte Menge kann auch die Familie nicht verzehren.
Deshalb wäre die Kakaobohnenproduktion in dynamischen Agroforstsystemen sinnvoll. Fermentiert und getrocknet sind die Bohnen des Kakaobaums eine recht haltbare, relativ leicht transportierbar und hochpreisige Ware.
Es gibt noch einen weiteren guten Grund für das Umsatteln von Rinderhaltung auf Kakao: der Erhalt der vielerorts noch fruchtbaren Erde und funktionierenden Ökosysteme in dieser Region, wenn man die Kakaobohnen in dynamischen Agroforstsystemen produziert. In diesen essbaren Wäldern wird es neben der Kakaofrucht auch Obst und Gemüse für den eigenen Bedarf einer abwechslungsreichen Ernährung geben.
Einfache Kost und viel Arbeit
Die Bauersfrau bereitet schon zum Frühstück ein deftiges Mahl aus Tortillas (Maisfladen), Bohnen, Reis und ein Stückchen Frischkäse. Wenn die Hühner fleißig waren gibt es auch etwas Rührei dazu. Eigentlich wird nur ein einziges Mal und zwar am Morgen gekocht. Das geschieht aus Zeitgründen, aber auch um Brennholz zu sparen und damit man ab 10:00 Uhr vormittags nicht noch wegen der Feuersglut im Herd schwitzen muss. Das heißt aber auch, dass es mittags und abends dasselbe wie zum Frühstück gibt und sich der Speiseplan die ganze Woche wiederholt.
In Haus und Hof und auf dem Feld stehen vielfältige Arbeiten an. Um die halboffenen Küchen ungezieferfrei zu halten haben die Frauen die Angewohnheit den aus Ziegeln und Lehm gemauerten Herd sowie die Ablageflächen, wenn nicht jeden Tag, so doch mehrmals die Woche mit einem weißen Gesteinsmehl zu weißeln. Die Maiskörner für die Tortillas müssen jeden Tag eingeweicht, gekocht, gemahlen und zu dem Ausgangsbrei der Fladen verarbeitet werden.
Fast jeden Tag gibt es Wäsche zu waschen, denn bei allen Arbeiten macht man sich umgehend schmutzig und wegen der Hitze rinnt einem auch beim schieren Nichtstun der Schweiß. Die Hausfrauen der Häuser ohne Wasseranschluss müssen zum Wäschewaschen an eine Wasserstelle und auf dem Rückweg auch noch das Trinkwasser schleppen.
Essen mit Papageien und Mücken
Am späten Nachmittag, wenn die Hitze ihren Höhepunkt erreicht hat, kommt es oft zu einer Entladung der Wolken, die sich am Himmel zusammengeballt haben und zu einer erfrischenden Abkühlung. Dann prasselt der Regen auf das Wellblechdach, dass man sich schier die Ohren zuhalten muss. Die Männer kommen tropfnass und hungrig heim, bringen Früchte oder Mais vom Acker mit. Bevor es dunkel wird, also gegen 17:00 Uhr, verteilt die Hausfrau das Abendessen.
Üblich ist es, dass sie einem den Teller volllädt und man sich damit irgendwo ein ruhiges Plätzchen zum Hinhocken sucht. Die Ruhe kann jedoch sehr plötzlich unterbrochen werden, weil sich ein halbzahmer Papagei fordernd auf den Tellerrand setzt. Oder die Hunde schauen einen so hungrig-bettelnd an, dass der Bissen schier im Hals steckenbleibt. Mit einsetzender Dunkelheit werden auch die Mücken immer frecher und am besten ist es, man verzieht sich auf sein moskitonetzbewehrtes Lager.
Der essbare Wald wächst
Gut 100 Bauernfamilien haben mittlerweile auf dynamischen Agroforst umgestellt. Ich habe nicht alle Parzellen gesehen, doch die, die ich besuchte, sahen gut aus und lieferten eine Fülle von Produkten. Langsam wächst auf ihnen auch der Wald wieder und die Abholzung der letzten Regenwaldreste wurde deutlich eingedämmt. Die Menschen verstehen mehr, wie der Wald sie nähren kann und wie wichtig er für ihren Anbau ist.
Ich höre, dass es viele weitere Familien gibt, die auch essbare Wälder aufbauen wollen. Nur sind die Wege im Nationalpark Patuca weit und unwegsam. Sie erschweren eine Ausbreitung der Methode.
Ja, hier könnte Naturefund helfen.
Mehr über das Projekt im Regenwald von Honduras