Projektbesuch in Bolivien: Teil 1
Mehr als 300 Familien haben bis 2022 ihre Parzellen mit dem Dynamischen Agroforst im Rahmen unseres Projektes aufgebaut. Auf einer Gesamtfläche von 17,3 Hektar wurden über 26.000 Obstbäume und rund 19.000 Begleitbäume lokaler, seltener Baumarten angepflanzt. Dazwischen wachsen Gemüsepflanzen und Blumen. Zudem hat Naturefund etwa 25 Wasserbecken und 100 Wasserverteilungssysteme für ca. 500 Familien innerhalb von 6 Jahren aufgebaut.
Anfang März besuchten Katja Wiese, Gründerin von Naturefund und David Schäfer, Leiter des Outdoor-Teams, das Naturschutzprojekt rund um Cochabamba auf 2400 m Höhe. Welche Erlebnisse die beiden auf ihrer Reise hatten und welche Fortschritte das Projekt macht, erzählt Katja im nachfolgenden Beitrag.
Bunte Farben in Cochabamba, 01.03.2023
Wir kamen am Mittwoch, den 1. März am Nachmittag in Cochabamba an. Es war warm und eben bolivianisch. Die Alleen, die blühenden Bäume, die bunten Farben der Indigenen und überall wird gebaut. Cochabamba hat sich gewandelt seit dem ersten Mal, 2014, seitdem ich hier war. Größer, wohlhabender, überall Cafés und der typische Verkehrsstau – es ist eine Stadt der Moderne geworden mit Spuren der alten Kulturen, die hier einst lebten.
Immer Neues zu entdecken, 02.03.2023
Am ersten Tag treffen wir uns im Büro von Agrecol Andes. David und ich gehen die halbe Stunde zu Fuß und nehmen mit der fremden Welt, die uns umgibt, Kontakt auf. Im Büro warten auf uns das Team der Fundación Agrecol Andes. Mit dabei ist natürlich auch unser zweiter Partner vor Ort, das Centro de Estudios y Trabajo de la Mujer oder kurz CETM. Ursprünglich war geplant, dass Agrecol und CETM uns die Ergebnisse von 2022 vorstellen. Das taten sie auch, aber irgendwie entwickelte sich der Diskurs immer mehr in Richtung: Was haben wir im Dynamischen Agroforst neu entdeckt? Was für Erkenntnisse haben wir gewonnen? Und welche neue Vorgehensweise wollen wir jetzt probieren? Das scheint das Besondere am Dynamischen Agroforst zu sein – es gibt immer etwas Neues zu entdecken. Die Natur ist nie fertig, nie vollends ergründet, im Gegenteil, immer wieder stehen wir staunend davor und denken: Aha!? Mir kommen gesunde, renaturierte Flächen voller Dichte und Vielfalt in den Sinn. Dafür lohnt sich die ganze Arbeit.
Wasserbecken und DAF-Parzellen live
Reger Austausch mit dem Team vor Ort, 03.03.2023
Unser Besuch gliedert sich in den Besuch von DAF-Parzellen und von uns gebauten Wasserbecken sowie in der Kontaktaufnahme mit dem bolivianischen Team. Das Team ist mir so vertraut und selbst wenn ich, Katja nur alle zwei, drei Jahre hier bin, wir sind doch regelmäßig im Kontakt. Und so kommt es mir oft vor, als ob sie Teil des Naturefund-Teams sind. Doch vor allem, und deswegen begleitet mich David diesmal: Er ist verantwortlich für die deutschen DAF-Projekte. Wir wollen vom bolivianischen Team die Anwendung von DAF vor Ort lernen. Und ich möchte David die DAF-Parzellen hier zeigen, denn sie selbst mit eigenen Augen sehen, ist noch einmal etwas anderes, als sie nur von Fotos und Erzählungen zu kennen.
So fahren wir am Freitag nach Chocaya, ein Ort an den Berghängen vom Nationalpark Tunari oberhalb der Stadt Quillacollo. Zuerst besuchen wir ein Depostio de agua, ein mit uns gebautes Wasserbecken, das 300.000 l umfasst und 80 Familien versorgt. Es ist gerade leer, weil eine Leitung oberhalb repariert wird. Wir stehen am Rand, tauschen Ideen aus, z. B. wie die vom Wasser mitgeführten Blätter und Äste aufgefangen werden könnten. Im Austausch entsteht die Idee, bei nächsten Wasserbecken auch zeitgleich ein kleines Wasserbecken für die Tierwelt zu bauen, so dass Vögel, Insekten und kleine Säugetiere entspannt und sicher sauberes Wasser trinken können. Weiter geht es zu der DAF-Parzelle von Franz Reynaldo Dávalos Chileno, 2018 angelegt. 100 Apfelbäume und 110 lokale Baumarten wachsen hier auf 500 m². Die Ernte ist zwar schon vorbei, doch immer noch hängen an einigen Bäume Äpfel. Franz hat bereits zwei neue DAF-Parzellen mit eigenen Mitteln angelegt, da er von der Anbaumethode so begeistert ist. Wir wandern durch die Parzellen, genießen die roten Äpfel und hören Franz und Serafin zu, die vor allem über die Vorteile der lokalen Bäume sprechen.
Gesunde Böden ganz ohne Chemie in Sacaba, 06.03.2023
Montag fuhren wir nach Sacaba und besuchten zuerst Sonia. Sonias DAF-Parzelle ist vier Jahre alt und etwa 3000 m² groß. 100 Obstbäume und etwa eben soviele „Forestales“, also lokale, native Baumarten wurden hier gepflanzt. Wir gehen durch die Reihen und sehen Apfel- und Aprikosenbäumen neben Molle, Sauco, Aliso, Kewina und viele andere native Baumarten. Einige davon sind von Aussterben bedroht, wie Kewina zum Beispiel, eine Baumart, die nur hier an den Berghängen des Tunari Nationalparks vorkommt. In Sonias Baumreihen steht immer ein Obstbaum und nur 75 cm! weiter eine native Baumart, dann wieder ein Obstbaum. Die Forestales sind sogenannte Begleitbäume. Sie wurden gepflanzt, um die Obstbäume zu unterstützen. Sie bieten Schutz vor Wind, etwas Schatten vor zu starker Sonneneinstrahlung und über ihre Wurzeln fördern sie viele Mikroorganismen im Boden, die auch den Obstbäumen zugutekommen. Aber vor allem werden sie zur Produktion von Biomasse genutzt. Regelmäßig werden die Forestales geschnitten und mit ihren Ästen und Blättern der Boden bedeckt. Der Boden ist mit einer Schicht aus Biomasse bedeckt, auch Mulch genannt. Darunter ist es feucht und kühl, ideal für Kleinstlebewesen. Hier geht's zum Video-Interview mit Sonia.
Am späten Vormittag besuchen wir eine andere DAF-Parzelle in einer eher trockenen Region von Sacaba. Wieder sehen wir den engen Wechseln von Obstbäumen und nativen, einheimischen Arten. Uns wird erzählt, wie hier früher und auch jetzt noch auf anderen Feldern typische Ackerkulturen wie Mais, Weizen oder Luzerne gepflanzt werden. Wie mühselig das bei der Trockenheit ist und wie oft er wenig oder auch keinen Ertrag hatte. Das ist jetzt in seiner DAF-Parzelle anders, die ebenfalls erst vier Jahre alt ist. Dieses Jahr hatte er mit seiner Frau so viel Ertrag, dass sie gar nicht wussten, wie und wo sie die schönen roten Äpfel und glänzenden Pfirsiche verkaufen sollten. Auch das wird zunehmend ein Thema für uns, den DAF-Parzellen sind hochproduktiv, sowohl an Obst und bei zahlreichen Parzellen auch kombiniert mit dem Anbau von Gemüse und Blumen. Alles wird natürlich ohne Chemikalien angebaut, nur Bioqualität auf einem zunehmend gesünderen Boden. Das schmeckt man und so langsam spricht es sich herum. Im vergangenen Jahr hat Naturefund den Aufbau von drei Märkten bzw. Messen für den Verkauf der Produkte auch DAF-Parzellen im Tal von Cochabamba gefördert. Auch den Aufbau eines Netzwerks zu verschiedenen kleinen Läden, die die DAF-Produkte verkaufen, haben wir unterstützt.
Am Nachmittag besuchen wir schließlich noch eine Familie. Sie ist neu dabei, erst ein Jahr, aber schon Feuer und Flamme für das Faszinosum DAF. In den letzten zwei Jahren haben wir ein neues Modell entwickelt: DAF-Parzellen ohne Bewässerung. Hier im Tal von Cochabamba ist das eine Herausforderung, denn es regnet nur 3–4 Monate im Jahr, ansonsten herrscht Dürre.
Unterstützen Sie die Kleinbauern dabei, mit der innovativen Anbaumethode weitere Bäume zu pflanzen. Helfen Sie den Kommunen beim Bau von Wasserbecken und Systemen zur Wasserverteilung rund um Cochabamba. Für mehr Biodiversität und Nachhaltigkeit!
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