Inhalte der Verhandlung
Am 12. Februar 2019 konnten Wisent-Fans und das Zuchtprogramm des Vereins Wisent Wittgenstein aufatmen: Das Arnsberger Verwaltungsgericht traf nach vier Stunden Verhandlungen eine vorläufige Entscheidung zu einer im April 2017 eingereichten Klage. Geklagt hatten zwei Waldbauern, welche die freilebenden Wisente aufgrund von Schälschäden in Gewahrsam sehen wollten. Ebenso fechteten die beiden Waldbauern den öffentlich-rechtlichen Vertrag vom 08. April 2013 zwischen dem Kreis Siegen-Wittgenstein und dem Land Nordrhein-Westfalen an, der die rechtliche Grundlage zum Auswilderungsprojekt im Rothaargebirge schuf.
Argumente der Waldbauern wurden vom Richter zurückgewiesen
Unter Vorsitz des Richters Henning Schulte-Steinberg wurde in Arnsberg ein noch schriftlich festzuhaltendes Urteil zu Gunsten des Wittgensteiner Naturschutzprojektes gefällt.
Während der Verhandlungen ging es allerdings heiß her. Die Gegenseite, vertreten von Michael Arnold und Hartmut Schauerte, den Rechtsbeiständen der Waldbauern, bezweifelte die Eignung des Projektgebiets. Ihrer Ansicht nach könnten die Wisente dort nicht dauerhaft überleben. Außerdem forderten sie die Richterkammer auf, den öffentlich-rechtlichen Vertrag zur Freilassung der Wisentefür ungültig zu erklären.
Diese Forderungen wies Richter Schulte-Steinberg als unredlich zurück. Auch Prof. Dr. Martin Gellermann, Rechtsbeistand des Landes NRW, fügte außerdem hinzu, dass sich die Grundstücke der Kläger in einigem Abstand zum Projektgebiet befänden und man derzeit noch nicht von einer Wiederansiedlung sprechen könne. Stephan Hertel, Rechtsbeistand des Wisent-Trägervereins, betonte, dass das Land zu keinem Zeitpunkt aktiv in die Projektphasen involviert war, d. b. dass zwischen dem öffentlich-rechtlichen Vertrag und den Schälschäden keinerlei Zusammenhang besteht. Auch dem stimmte der Gerichtsvorsitz zu.
Wenige Monate zuvor, am 16. November 2018 befasste sich bereits der Bundesgerichtshof mit den freilebenden Wisenten. Die zuständige Richterin Stresemann empfahl dabei, die Freisetzungsphase der Wisente als Naturschutzmaßnahme zu bewerten, die auch auf Gebieten von Waldbauern stattfinden. Aus der Prämisse, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Tiere gelegentlich das Projektgebiet verließen, nicht gering sei, ergäbe sich eine Duldungspflicht der Waldbauern. Das jetzige Urteil von Richter Schulte-Steinberg entspricht der Empfehlung des BGH.
Stimme aus der Wisent-Welt
Die Grundstimmung des Trägervereins nach der Verhandlung war positiv. Klaus Brenner, 2. Vorsitzender des Vereins, sprach sich aus: „Endlich ist die Frage, ob das Wisent-Projekt ein Naturschutzprojekt ist, klar beantwortet – und zwar auch von der Gegenseite. Wir haben keinen Anlass, heute euphorisch zu sein, wie wir auch in der Vergangenheit nach Verhandlungen nicht in Panik verfallen sind, wenn der Ausgang vor Gericht ein anderer war.“
Kurzüberblick Wisent
Das Wisent ist der letzte große Grasfresser Europas. Er lebt in Laubwäldern, lichten Savannen sowie Feuchtgebieten und ernährt sich von Blättern, Gräsern und Seggen. 1920 wurde das letzte freilebende Exemplar der friedlichen Wildrinder im Kaukasus erschossen, nur 54 Exemplare überlebten in Zoos und Tierparks. Es begann ein einzigartiges Projekt, mit 12 Wisenten den Bestand wieder aufzubauen. Das gelang mit großem Erfolg. Heute leben wieder weltweit über 7.000 Wisente, die Hälfte davon frei lebend. In Deutschland gilt das Wisent schon deutlich länger als ausgestorben. Doch jetzt, nach mehr als 400 Jahren, hat das Tier erneut eine Chance, sich in Deutschland in Freiheit anzusiedeln – dank des Vereins Wisent Wittgenstein.
Den Artikel zum Prozess am Bundesgerichtshof finden Sie hier.
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